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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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Schlüssel nirgends an meinem Körper verstecken – jetzt, da ich offenbart habe, dass ich eine Pistole habe, werden sie mich ganz sicher durchsuchen, wenn einer der beiden mich in die Finger kriegt. Ein Stück über mir schaut ein Wasserspeier von einem Sims herunter. Ich ziele und werfe den Schlüsselring zu ihm hoch. Er fällt über die Schnauze der Statue und rutscht dann herunter, verhakt sich zwischen ihr und dem rauen grauen Stein. Es wird genügen müssen.
    Tatsächlich bin ich die Schlüssel gerade noch rechtzeitig losgeworden, denn Prospero packt mich von hinten und schleift mich aus der Kapelle und durch eine Tür, die so sorgfältig im Gemäuer verborgen ist, dass ich sie vorher nicht gesehen habe. Als wir draußen sind, schiebt er mich vor sich her zu der überdachten Dampfkutsche, die auf uns wartet.
    Einer der großen, schroffen Männer hievt mich in die Kutsche, und dann packt Prospero meine Handgelenke und verdreht sie kräftig, zwingt mich, die winzige Pistole fallen zu lassen, und fesselt mein rechtes Handgelenk an den Sitz.
    Er tritt meine Pistole mit dem Elfenbeingriff zur Seite. Es macht nichts, die beiden Kugeln sind ohnehin weg.
    »Gib mir deine Maske«, sagt er. Er reibt sich das Gesicht mit einem Taschentuch, und seine Augen tränen, als er das Tuch mit dem Wein aus der Flasche neben sich nass macht und sich erneut das Gesicht reibt.
    »Masken können niemanden schützen außer dem ursprünglichen Besitzer«, sage ich und halte meine Maske fest.
    Er reißt sie mir vom Gesicht. Sie ist zu klein für ihn, und er sieht lächerlich aus, so wahnsinnig wie sein Bruder.
    Er hustet, und auch wenn es noch zu früh ist, als dass sich jetzt schon irgendwelche Anzeichen des Schwärenden Todes manifestieren könnten, weiten sich seine Augen vor Entsetzen. Wieder scheuert er seine Hände. Dann tritt er die leere Pistole noch einmal weg, verspottet mich und die Waffe, auch wenn ich ihm damit das Leben gerettet habe.
    »Elliott hat sie mir gegeben«, sage ich. Ich möchte sehen, wie er reagiert, wenn ich seinen Neffen erwähne.
    Er verzieht hinter der Maske finster das Gesicht und sagt dann mit einer Stimme, die vor kindlicher Gehässigkeit nur so trieft: »Deine Mutter hat ihn nicht geschätzt.«
    »Nein«, stimme ich ihm zu. »Das hat sie nicht.«
    »Sie hat seinetwegen häufig geweint. Sie hat nicht verstanden, dass Folter eine Kunst ist. Dass ich ihn ausbilden musste.«
    Ich schüttle den Kopf, versuche, ihn damit am Reden zu hindern, aber er spricht weiter.
    »Weißt du, wie ich deine Mutter dazu gebracht habe, ihn nicht mehr so zu verhätscheln? Ich habe ihr gesagt, dass es sicher unterhaltsam wäre, ihn durch ein Zwillingspaar zu ersetzen. Alle lieben Zwillinge. Danach hat sie nicht mehr zugelassen, dass Elliott sich in ihrem Zimmer versteckt.«
    Dies ist nicht nur das erste Mal, dass er lächelt, seit ihm der infizierte Mann den Eiter ins Gesicht gerieben hat. Es ist auch das erste Mal, dass ich erlebe, dass Prosperos Lächeln seine Augen erreicht. In seinen Augenwinkeln bilden sich Fältchen. Ich spüre, wie sich meine Hand zur Faust ballt.
    Ich rutsche ein bisschen auf meinem Platz hin und her, als wollte ich versuchen, meine Knie näher an mich heranzuziehen, um es bequemer zu haben. Aber in meinem Stiefel ist das Messer. Wenn ich es in die Finger bekomme, könnte ich in der Lage sein, ihn zu verletzen.
    Elliott hat mich davor gewarnt, dass es schwer sein wird, jemanden mit einem Messer zu erstechen, aber ich glaube, wenn es um Prospero geht, wird es nicht so schwer werden. Und ich habe heute zum ersten Mal einen Mann erschossen.
    »Sie haben meinen Bruder getötet«, sage ich.
    Er hebt die Augenbrauen in gespielter Verletztheit.
    »Ich habe die Männer geschickt, die deinen Bruder getötet haben, das stimmt. Ich wusste nicht, dass Finn unter den Kranken war. Ich hätte es vorgezogen, ihn lebendig zu bekommen.«
    Er gießt sich den Rest Wein aus der Flasche in einen Kelch und trinkt, ohne mir etwas anzubieten. Nicht dass ich es angenommen hätte. Als er mir das letzte Mal Wein angeboten hat, war er mit Gift versetzt.
    »Du musst begreifen, dass ich sowohl dich als auch deinen Bruder wollte«, spricht er weiter, als würde er versuchen, mich von irgendetwas zu überzeugen. »Aber dein rückgratloser Vater hat gesagt, dass ich sterben würde, wenn ich auch nur einen von euch anfassen würde. Dass mir das Blut aus den Poren strömen und ich verbluten würde. Dein Bruder ist gestorben, während

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