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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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höher. Es schien, als gleite es auf der Welle geradewegs in den Himmel, bevor es jäh wieder in die Tiefe fiel. Das Wasser klatschte mit einem ohrenbetäubenden Geräusch auf das Deck. Die Planken krachten, als habe sich jede einzelne gelöst. Doch sie hielten. Noch hielten sie.
    Mit einem Mal brach Asny über dem Riemen zusammen. Ihr Gesicht war blutleer, ihre Augenlider flackerten. Aki wollte seiner Schwester aufhelfen. Doch Grim beugte sich nach vorn und stieß ihn zurück. Daraufhin packte Grim Asny an den Schultern und schlug ihr mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.
    «Du sollst nicht schlafen, Weib!», zischte er.
    Das Schiff stieg auf.
    Asny öffnete die Augen. Sie drehte sich um und starrte Grim an. Ihr Blick war so hasserfüllt, dass er Aki unweigerlich an Velva erinnerte.
    Diesen Eindruck hatte offenbar auch Grim. Er zuckte zurück, als sei er von einer Wespe gestochen worden. Für einen Moment wirkte er verunsichert, beinahe ängstlich. Doch er fing sich wieder – und schlug abermals zu. Seine Hand hinterließ einen roten Fleck auf Asnys Wange, aber über ihre Lippen kam kein Laut.
    Das Schiff krachte ins Wellental.
    Asnys Blick haftete noch immer an Grim, als wolle sie alles Leben aus ihm saugen.
    Da hob Grim erneut die Hand, ballte sie zur Faust und zielte auf Asny.
    Aki ließ den Riemen los. Die Ketten rasselten, als er zu Grim herumfuhr, um ihn an dem Schlag zu hindern. Er würde ihm die Kette über das schiefe Gesicht ziehen, auch wenn dies für ihn selbst das Ende bedeutete. Er war Grims Sklave und ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. So wie man einen tollwütigen Hund totprügelte, so würde Aki sein Leben verwirken. Aber er konnte es nicht zulassen, dass dieser verdammte Kerl Asny misshandelte.
    Bevor Aki und Grim aufeinander losgehen konnten, griff Geirmund ein. Der Alte rammte seinem Sohn den Ellenbogen hart in die Seite. Grim stieß einen keuchenden Laut aus und ließ seine Faust sinken.
    «Willst du dem Kerl die Nase brechen?», brüllte Geirmund gegen das Sturmgetöse an. «Was, glaubst du wohl, würden wir an einem Sklaven mit schiefer Nase verdienen? Die Sklaven dürfen keine äußeren Verletzungen haben. Hörst du – keine Verletzungen!»
    Ohne Aki aus den Augen zu lassen, legte Grim seine Hände wieder auf den Riemen, als sich ein Wasserschwall über das Schiff ergoss.
    Aki wischte sich übers Gesicht, wandte sich von Grim ab und warf Asny einen tröstenden Blick zu. Der Fleck auf ihrer Wange leuchtete rot. Sie holte tief Luft, dann begannen beide wieder zu rudern.
    «Mehr Backbord!», rief Fulrad den Ruderern zu.
    Der Lotse im Bug hatte soeben signalisiert, dass sie geradewegs auf eine Untiefe zuhielten. Mit all seiner Kraft drückte Fulrad gegen das Steuer, und die Ruderer auf der Backbordseite zogen hart die Riemen durch.
    Während sie die Untiefe umschifften, dachte Aki daran, dass Grim und Geirmund das Geld bitter nötig hatten, wenn sie irgendwann in die Mark zurückkehren wollten. Noch im Wald hatten die beiden den Plan gefasst, die Zwillinge fern der Heimat zu verkaufen. In der Mark konnten sie das unmöglich tun. Zu groß war die Gefahr, dass Thankmar ihnen auf die Schliche kam. Wenn der Graf herausfand, dass Grim die Seherin getötet hatte, würde er ihn und seinen Vater hinrichten lassen.
    Daher waren die Sklavenhändler mit den Zwillingen fluchtartig zum Treenehafen aufgebrochen. Da Grim und Geirmund jedoch kaum Geld bei sich hatten, mussten sie Fulrad zusagen, ihm die Kosten für die Fahrt zu bezahlen, sobald sie ihre Sklaven verkauft haben würden.
    Fulrad hatte ihnen zu verstehen gegeben, dass er kein Mann war, der mit säumigen Schuldnern nachsichtig umging. Seine Besatzung bestand neben einem Lotsen aus zwei Seeleuten, an deren Händen Blut klebte. Die Seeleute waren bärbeißige Friesen, die nicht zögern würden, Grim und Geirmund die Haut bei lebendigem Leib vom Fleisch zu schneiden und ihre Überreste an die Fische zu verfüttern. Grim und Geirmund hatten keine andere Wahl gehabt und stimmten dem Handel zu, bevor sie mit ihren Sklaven an Bord gingen.
    Am nächsten Morgen verließ das Schiff den Hafen, fuhr über die Treene und anschließend den Fluss Egidora, bis es die mit zahllosen kleinen Inseln durchsetzte und von weitem Marschland gesäumte Mündung erreichte. Bei günstigem Fahrtwind folgten sie in den nächsten Tagen der Küste des Nordmeeres zunächst in südlicher Richtung und dann, nachdem sie die Mündung des Flusses Albia durchquert hatten, dem

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