Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
Fulrad an Bug und Heck die Anker setzen. Wenn sich das Wasser bei Ebbe vollständig zurückgezogen haben würde, würde man das Schiff auf dem Watt, das die Nordmänner
erfiri
nannten, trockenfallen lassen. Der Wattenvogel hatte einen flachen Boden, der zu beiden Enden hin hochgebogen war. Bei auflaufendem Wasser würden die Aufbiegungen vorn und achtern dem Schiff wiederum genügend Auftrieb geben und verhindern, dass es sich im Schlick festsaugte.
     
    «Mitkommen!», schnaubte Grim.
    Ehe Aki sichs versah, hatte Grim ihn und Asny mit festem Griff an den Armen gepackt und die Zwillinge vor sich her zum Laderaum geschoben. Die Vertiefung war etwa zehn Fuß breit und lag unterhalb der Decksplanken. An der Bordwand auf der Backbordseite hatte Fulrad Planken verlegen lassen, sodass man nicht hinuntersteigen musste, wenn man vom Bug zum Heck oder umgekehrt gehen wollte. Der Laderaum war durch übereinandergestapelte Kisten, Fässer und Säcke aufgeteilt worden. Auf der einen Seite waren die Tiere untergebracht – vier Schweine, zwei Pferde und ein Ochse –, auf der anderen, der kleineren Seite, war Akis und Asnys Platz.
    Grim drängte sie über eine kleine Leiter in den Laderaum hinunter. Widerstandslos ließen sich die Zwillinge zu dem eisernen Ring führen, durch den Grim eine Kette zog, die er mit ihren Fußeisen verband. Dann steckte er den Bügel eines Schlosses in die Kettenglieder, ließ es einrasten und zog den Schlüssel ab. Den Schlüssel verstaute er in dem Beutel, den entweder er oder Geirmund immer am Gürtel trugen.
    Nachdem Grim geprüft hatte, ob die Ketten festsaßen, erhob er sich wieder. Vom Rand des Decks oberhalb des Laderaums nahm er einen Wasserschlauch sowie einen Kanten Brot. Beides warf er den Zwillingen mit einer verächtlichen Geste hin, als koste es ihn große Mühe, den beiden etwas von den Vorräten abzugeben.
    «Fresst und trinkt, solange ihr noch könnt», sagte er.
    Aki hob das Brot und den Schlauch auf. Er zerbrach den harten Kanten und gab Asny das größere der beiden Stücke. Dann zog er den Holzstöpsel aus dem Mundstück des Trinkschlauchs und reichte das Wasser an seine Schwester weiter.
    Grim stand noch immer bei ihnen. Er machte keinerlei Anstalten, sie allein zu lassen, wie er es für gewöhnlich tat, nachdem er sie angekettet und versorgt hatte.
    Oben an Deck hatten die Männer damit begonnen, ihre Lager vorzubereiten. Sie rollten Decken aus. Einige legten sich sogleich hin, andere setzten sich in kleinen Gruppen zusammen. Ihre gedämpften Stimmen drangen in den Laderaum.
    Aki stellte fest, dass Grim Asny nicht aus den Augen ließ. Es schien, als warte der Sklavenhändler auf etwas. Das beunruhigte Aki noch mehr als Grims Schläge, mit denen er Asny bestraft hatte.
    Asny selbst war zu erschöpft, um Grims lauernde Blicke zu bemerken. Sie führte den Schlauch an den Mund. Ihre Hand und ihr Arm zitterten. Wasser lief über ihr Kinn und tropfte auf die Tunika.
    «Du verschwendest kostbares Wasser, Weib!», fuhr Grim sie an.
    Aki nahm ihr den Schlauch ab und hielt das Mundstück an ihre Lippen. Viel zu hastig saugte sie einige Schlucke ein. Das Wasser bekam ihrem Magen nicht. Sie musste husten und spie das Wasser auf die Planken.
    Grim beugte sich herunter und riss Aki den Schlauch aus den Händen.
    «Genug!», zischte er. «Wenn ihr es nicht wollt, dann nehm ich es.»
    Vor den Augen der durstigen Zwillinge trank er das Wasser bis auf den letzten Tropfen aus. Dann legte er den Schlauch zurück an den Rand, wo sein Vater gerade die Decken für ihr Lager ausbreitete. Geirmund schien sich nicht für das Geschehen im Laderaum zu interessieren.
    Als habe Grim nur darauf gewartet, machte er einen Schritt auf Asny zu und kniete neben ihr nieder. Seine Augen blitzten auf. Er atmete flach und schnell.
    Ehe Asny oder Aki, der auf der anderen Seite saß, reagieren konnte, legte Grim seine Hand auf Asnys Brust und drückte zu. Asny stöhnte.
    «Fühlt sich gut an», zischte Grim.
    Asny griff nach der Hand, aber Grim war zu kräftig. Asnys Gegenwehr veranlasste ihn nur dazu, ihre Brust noch fester zu drücken – und noch breiter zu grinsen.
    Aki warf einen hilfesuchenden Blick auf Geirmund, der mit dem Essen beschäftigt war und ihnen den Rücken zukehrte. Von dem Alten war keine Hilfe zu erwarten.
    Ohne über die weiteren Folgen nachzudenken, riss Aki die Kette hoch und holte aus. Bevor er jedoch nach Grim schlagen konnte, hatte der die Kette gepackt und zerrte Aki daran nach unten. Mit

Weitere Kostenlose Bücher