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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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ließ er sich schnell wieder nieder. Von unten sah er Geirmund und Grim mit einem dritten Mann zu ihrem Lager am Rand des Laderaums kommen, wo sie sich auf die Decken setzten. Der dritte Mann war ein Händler, der Honigwein zu den Franken am Rhenus liefern wollte. Er leistete den Sklavenhändlern wie in den vergangenen Nächten Gesellschaft. Sein Wein schien recht stark zu sein, denn die drei waren jeden Abend ziemlich betrunken.
    Warum dieser Händler, der ebenfalls Däne war, die beiden mürrischen Sklavenhändler so freigebig mit Wein versorgte, wusste Aki nicht. Vielleicht hatten sie ihm Geld versprochen, wenn sie die Sklaven verkauft haben würden.
    «Ich trinke auf meinen Vater und dessen Vater», hörte Aki Geirmund sagen.
    Die drei hoben ihre Becher, leerten sie und schenkten aus einem kleinen Fass nach.
    «Und ich trinke auf mein Weib», sagte der Händler.
    «Auf dein Weib?», erwiderte Geirmund überrascht.
    «Tust du das nicht?»
    «Wir trinken nicht auf Weiber, nur auf Männer!»
    Der Händler lachte. «Wenn ihr den Bart meiner Frau sehen könntet, würdet ihr auch auf sie trinken.»
    Da lachten auch Geirmund und Grim und schütteten den Wein in sich hinein.
    Nachdem die Becher wieder gefüllt waren, wandte sich Geirmund an Grim. «Jetzt du!»
    «Hm», machte Grim nur.
    «Sag schon, Junge – auf wen trinkst du?»
    «Ist mir egal», knurrte Grim.
    Das war offensichtlich nicht die Antwort, die Geirmund erwartet hatte.
    «Man trinkt auf seine Väter!»
    Grim stöhnte. Dann sagte er: «Auf meinen Vater und dessen Vater, wer auch immer das gewesen sein mag …»
    «Trink jetzt endlich!», fuhr ihm Geirmund ins Wort.
    Das taten sie.
     
    Asny zitterte im Schlaf. Vorsichtig zog Aki die Decke über ihren ausgekühlten Körper. Geirmund hatte ihnen die Decke gegeben. Sie war dünn, voller Läuse und an mehreren Stellen eingerissen. Außerdem bot sie kaum Schutz vor der beißenden Kälte, die wie eine giftige Schlange unter ihre Kleider kroch.
    Gerne hätte Aki seine Arme um Asny gelegt, um sie zu wärmen und ihr noch näher zu sein. Aber das ließen die Ketten nicht zu.
    Asny zitterte immer heftiger, und dann zuckte sie plötzlich zusammen, als habe die unsichtbare Schlange sie gebissen. Sie schreckte hoch und schaute sich mit weit aufgerissenen Augen um.
    «Wo sind wir?», fragte sie.
    «Psst!», machte Aki.
    Erst als Asny ihre Hände anheben wollte und das Gewicht der Kette spürte, erinnerte sie sich. Ernüchtert sank sie mit dem Rücken gegen die Planken.
    Aki lehnte sich neben sie, und so saßen sie schweigend und in Gedanken versunken eine Weile da, ohne sich anzuschauen.
    Fulrad und die anderen waren noch immer auf der Jagd nach Fischen. Offenbar waren die Männer erfolgreich, sonst wären sie längst wieder zurückgekehrt. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis das Wasser das Watt wieder fluten würde.
    «Hast du das Brot gegessen?», fragte Aki seine Schwester.
    Er wusste zwar genau, dass sie es nicht angerührt hatte. Aber ihm fiel nichts Besseres ein, um sie von ihren Grübeleien abzulenken.
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich bekomme keinen einzigen Bissen herunter. Mein Magen will das Brot nicht.»
    «Schau her», sagte Aki.
    Er nahm sein Stück und brach eine kleine Ecke ab. Er steckte das Brot in seinen trockenen Mund und wartete, bis der Speichel es aufgeweicht hatte und er es herunterschlucken konnte.
    «Mach es so wie ich», forderte er seine Schwester auf. «Weich es vorher ein, dann geht es leichter runter.»
    «Das habe ich schon versucht. Ich glaube, ich habe die Seekrankheit, so wie der Mann, der ganz weiß im Gesicht geworden ist.»
    Aki erinnerte sich noch gut an den Händler. Kaum hatten sie das Nordmeer erreicht, war ihm so übel geworden, dass er sich mehrfach über die Bordwand erbrechen musste, bis sein Magen so leer war, dass er nur noch gelben Schleim ausspuckte.
    In dem Moment hallten Rufe über das Deck.
    Grim, Geirmund und der Händler hatten schon wieder zu viel getrunken. Sie lachten und lallten so laut, dass sie die anderen beim Schlafen störten. Von allen Seiten protestierten Männer gegen den Lärm.
    Grim dachte nicht daran, ruhig zu sein. Er erhob sich und forderte jeden, der es wagen würde, zum Kampf heraus. Nur mühsam gelang es Geirmund, seinen betrunkenen Sohn davon abzuhalten, einen Streit anzufangen.
    Nachdem es an Bord stiller geworden war, kam Asny auf ein Thema zu sprechen, das sie offenbar schon seit einiger Zeit beschäftigte.
    «An diesem Fluss, dem Rhenus,

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