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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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und anderes Gepäck auf Pferde und Karren. Das Gelände unterhalb der Burg war noch immer von Menschen bevölkert, obwohl sich ein Großteil bereits dem Tross angeschlossen hatte, der sich in einem langen Zug den Hügel hinabwand.
    Auf dem Weg durch das Lager hörte Thankmar einige Männer seinen Namen rufen. Er erwiderte die Grüße nicht.
    Dann endlich sah er die Glatze seines stiernackigen Hauptmanns in der Nähe. Ernust wartete mit einem gezäumten und gesattelten Schlachtross auf seinen Herrn. Thankmar verließ den Weg und watete durch den Schlamm zu ihm.
    Ernust hob eine Hand zum Gruß. «Herr, es ist alles bereitet für den Aufbruch. Ihr seid spät dran …»
    Thankmar unterbrach ihn mit einer mürrischen Handbewegung. Er war mit weit auseinandergebreiteten Füßen stehen geblieben und versuchte, auf dem rutschigen Untergrund festen Stand zu finden.
    Ernust runzelte die Stirn.
    «Wo sind die anderen?», fragte Thankmar. Er sprach langsam und betonte jedes einzelne Wort.
    Die Falten auf Ernusts Stirn wurden tiefer.
    «Die Heerführer sind bereits vorausgeritten.»
    Ernust zeigte zu dem Tross, der aus der Nähe betrachtet noch viel gewaltiger erschien. Vom Heerlager aus reihten sich immer mehr Menschen ein.
    Tausend Soldaten für Otto, dachte Thankmar und musste lachen.
    «Herr, geht es Euch gut?»
    Thankmar hörte auf zu lachen. «Natürlich! Wunderbar geht es mir, Soldat, ganz wunderbar! Hast du etwas zu essen für mich?»
    Ernust stutzte, dann griff er in die Tasche, die an seinem Gürtel hing, und holte ein faustgroßes Stück Räucherschinken hervor. Mit einem Anflug des Bedauerns reichte er Thankmar den kostbaren Vorrat. Der Graf nahm es ohne Dank, biss ein großes Stück ab und stopfte den Rest in seine eigene Tasche.
    «Tritt zur Seite!»
    Ernust wich zurück, behielt die Zügel des Schlachtrosses aber in der Hand.
    Thankmar tätschelte dem stämmigen Pferd den Hals. Dann stützte er sich am Sattel ab und hob den linken Fuß, um ihn in den Steigbügel zu setzen. Doch es geschah das, was er befürchtet hatte: Er traf den Bügel nicht richtig und rutschte mit dem Fuß ab.
    Ernust räusperte sich.
    Auch Thankmars zweiter und dritter Versuch misslang. Er schaffte es einfach nicht, den Stiefel in das verdammte Eisen zu stecken.
    «Darf ich Euch helfen?», fragte Ernust.
    Thankmar schnaubte missmutig und schaute sich um. Da ihn niemand beobachtete, nickte er.
    «Aber beeil dich!»
    Ernust hielt mit der rechten Hand den Steigbügel und mit der linken den Zügel. Thankmar hob den Fuß, zielte, und endlich rutschte der Stiefel in den Bügel. Als er sich auf den breiten Pferderücken schwang, quittierte sein berauschter Kopf dies mit einer leichten Schwindelattacke. Er schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, stand Ernust noch immer neben dem Ross.
    «Worauf wartest du, Soldat?», fragte Thankmar von oben herab. «Hol endlich dein Pferd, wir haben keine Zeit zu verlieren. Und putz dir die Hände.»
    Ernust nickte. Im Gehen wischte er sich den Schlamm von Thankmars Stiefeln an der Hose ab.
     
    «Aus dem Weg!», rief Ernust. «Macht Platz für Thankmar von der Mersburg!»
    Er pflügte mit seinem Pferd eine Schneise durch die Menschenschar. Thankmar folgte ihm, die rechte Hand am Zügel, die linke am Schwert, den Rücken stocksteif durchgestreckt und den starren Blick auf irgendeinen unsichtbaren Punkt in der Ferne gerichtet. Er hatte diese Pose Dutzende Male geübt. So hatte ein Herrscher zu reiten.
    Sie ritten an Fußsoldaten und Panzerreitern vorbei, die mit Schilden, Lanzen, Schwertern, Hirschfängern, Pfeil und Bogen bewaffnet waren. Vorräte und Gerätschaften wie Spitzhacken, Beile und Grabscheite lagen in Packwagen, die von Pferden und Ochsen gezogen wurden. Nebenher gingen Bedienstete und Sklaven. Auch Huren und Händler, die auf gute Geschäfte hofften, begleiteten den Tross.
    Es schien, als begebe sich eine ganze Stadt auf Reisen.
    Nach einer Weile schloss Thankmar zu den anderen Führern auf, die an der Spitze des Heeres ritten. Barthold von Hildenisheim sah ihn kommen, wendete sein Pferd und ritt ihm entgegen.
    «Wir sind bereit, Thankmar!»
    «Worauf wartet Ihr dann?»
    «Auf Euch.»
    Auf Thankmars Lippen legte sich ein zufriedenes Lächeln. Sie warteten auf ihn – auf sein Zeichen! Auf das Zeichen des Königs! Er hatte die Macht, einen Tross von weit über tausend Menschen in Marsch zu setzen. Und bald würde er die Macht haben, über das Schicksal eines ganzen Reichs zu richten.
    Für den

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