Das Lied des Todes
lächeln, und sie konnte sich wieder auf das freuen, was an diesem Abend noch vor ihr lag: Brot, Käse und Bier in einem der Gasthäuser unten in der Siedlung.
Bei dieser Vorstellung begann ihr Magen zu knurren. Er knurrte so laut, dass sie das andere Geräusch zunächst nicht bemerkte. Es war ein heiseres Krächzen, das von einem der Bäume am Wegesrand kam.
Malina sah auf einem Ast die Umrisse eines dunklen Vogels. Er krächzte erneut und breitete dabei seine Flügel aus, machte jedoch keinerlei Anstalten wegzufliegen.
Dann raschelte es ganz in der Nähe. Sie drehte sich um. Aus dem Gebüsch trat eine Gestalt auf den Weg. Es schien ein Mann zu sein. Er trug eine Mönchskutte, hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und kam in ihre Richtung.
Malina zuckte zusammen. Sie hatte gehört, dass zwischen Pfalanza und Siedlung hin und wieder Männer den Huren auflauerten, um sie zu überfallen und sich die Bezahlung zu sparen.
Sie wirbelte herum. Doch der Mann war bereits bei ihr, sprang sie von hinten an und riss sie im Fallen mit sich zu Boden. Dann drehte er sie auf den Rücken und drückte ihr die Kehle zu.
Seine Kapuze war heruntergerutscht. Mondlicht spiegelte sich auf der Glatze über dem dunklen Haarkranz. Der Mann zitterte vor Erregung. Sein Gesicht lag im Schatten, aber seinen Geruch nahm Malina wahr – er stank nach Schweiß, Angstschweiß.
Er löste sich, befahl ihr aufzustehen und deutete mit dem Kopf zum Wegesrand. Sie ging vor, und er führte sie zu einer hinter Büschen und Sträuchern verborgenen freien Stelle.
«Zieh dich aus!», zischte er.
Sie reagierte nicht.
«Soll ich dir weh tun?»
«Das hast du bereits getan.» Sie berührte ihren Hals.
Es klatschte laut, als er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Malina hatte schon härtere Schläge bekommen. Doch als er ihr mit einer geschickten Bewegung die Beine wegtrat, fiel sie rücklings zu Boden. Sofort war er über ihr.
«Du treibst es jeden Tag mit ihnen», stieß er aus. «Da macht es keinen Unterschied, ob du es freiwillig tust oder nicht!»
Oh doch!, dachte sie und zog ihr rechtes Knie an.
Offenbar hatte der Mönch mit Gegenwehr gerechnet, denn er fing den Kniestoß ab. Plötzlich blitzte eine Messerklinge vor ihrem Gesicht auf, und sie spürte, wie sich die andere Hand zwischen ihre Oberschenkel drängte.
Malina tastete den Boden ab, suchte nach einem Gegenstand, etwas, das sie als Waffe verwenden konnte, einen Knüppel, einen Stein …
«Mach die Beine breit», schnaufte der Mönch.
Da stießen ihre Finger auf einen Ast, armdick und fest. Sie nahm den Knüppel in die Hand, während sich der Mönch noch immer an ihren Schenkeln abmühte und das Messer vor Malinas Augen tanzte.
Malina spreizte die Beine. Als der Mönch erleichtert grunzte, schlug sie zu. Schlug so hart, wie sie konnte, aber nicht hart genug, um den Schädel platzen zu lassen wie damals Bovos.
Der Mann stieß einen Schrei aus und kippte um.
Sie rappelte sich auf, aber er hielt sie am Bein fest, zog sich an ihr hoch und fuchtelte mit dem Messer. Sein Blick flackerte.
«Das Weib ist dem Manne untertan», fauchte er und holte mit dem Messer aus.
Da schoss wie aus dem Nichts ein Schatten auf ihn zu. Ein Vogel landete auf seinem Kopf. Scharfe Krallen bohrten sich in die Glatze, und der Schnabel stieß nach der Stirn.
Der Mönch schrie auf und ließ das Messer fallen, um den Vogel mit beiden Händen abwehren zu können. Als er ihn mit der Faust traf, schlug der Vogel die Flügel durch und flog laut krächzend in die Nacht davon.
Blut rann über den Mönchsschädel und bildete ein netzartiges Muster auf dem Gesicht.
«Du bist mit Satan im Bunde!», brüllte er Malina an.
In seiner Wut und seinem Entsetzen schien er vollkommen vergessen zu haben, dass die Soldaten, die den Hintereingang der Pfalanza bewachten, nicht allzu weit entfernt waren.
Er bückte sich nach dem Messer, doch Malina war schneller, hob es auf und stach es ihm in den Hals. Er taumelte zwei, drei Schritte rückwärts, tastete nach dem Griff und versuchte die Klinge herauszuziehen. Aber er schaffte es nicht. Mit einem gurgelnden Laut landete er rücklings zwischen den Sträuchern.
Malinas Herz hämmerte. Sie rang nach Luft.
Erneut drang das Krächzen an ihre Ohren. Der Vogel hatte sich auf einem Baum niedergelassen, keine zehn Schritt von ihr entfernt.
Sie drehte sich um und rannte los, brach durch Büsche und Gestrüpp zum Weg zurück, und die ganze Zeit hatte sie das Gefühl, dass
Weitere Kostenlose Bücher