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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Hintergrund psalmodierten die Mönche.
    Du bist mein Gott, ich will dich preisen! Mein Gott, ich will dich erheben!
    «Ich habe eine solche Urkunde besorgt. Herr Brun wollte mir keine ausstellen. Ich sollte in Sankt Pantaleon auf dich aufpassen, damit du nicht wegläufst. Er war sehr beeindruckt davon, wie schnell du die Sprache der Gelehrten gelernt und wie du dich für deine Schwester eingesetzt hast.»
    «Hm», machte Aki. Er wusste nicht, ob er sich über das Lob freuen sollte oder nicht. Schließlich hatte ihm der Erzbischof den sehnlichsten Wunsch verwehrt.
    «Wie hast du diese Urkunde bekommen?», fragte er.
    Ketil lockerte den Halm. Die Schwellung nahm wieder ab.
    «Schwör mir, dass du niemandem davon erzählst!»
    Aki verdrehte die Augen. «Natürlich nicht.»
    «Ich hatte in jener Nacht gesehen, wo Herr Brun die Einladungen aufbewahrt. Nachdem er abgereist war, bin ich eines Nachts in die Zelle geschlichen und habe mir eine der Urkunden … nun ja … ausgeliehen. Sie war mit seinem Siegel versehen, und ich brauchte nur noch unsere Namen einzutragen.»
    «Unsere Namen? Was soll ich bei der Krönung? Der Graf wird Asny wohl kaum in die Pfalanza bringen.»
    «Das glaube ich auch nicht. Aber wenn es uns gelingt, Herrn Brun zu warnen und Thankmars Plan zu vereiteln, wird Brun uns helfen müssen.»
    «Aus Dankbarkeit?», erwiderte Aki ungläubig.
    Ketils Vorhaben erschien ihm viel zu unsicher. Er machte alles von seinem Herrn Brun abhängig. Was dieser davon hielt, einem Dänen zu helfen, dessen Schwester zu befreien, hatte der Erzbischof ihnen doch bereits gesagt.
    «Ja, aus Dankbarkeit», sagte Ketil. «Du solltest nicht so schlecht von ihm denken. Wir werden ihn warnen. Er wird Thankmar festnehmen lassen, und dann holen wir uns Asny. Ganz einfach, mein Freund.»
    Ketil warf Aki einen aufmunternden Blick zu.
    «Wenn Asny dann überhaupt noch lebt», entgegnete Aki bitter.
    «Vergiss nicht – er hat sie ‹meine Königin› genannt.»
    «Das macht mich nicht eben ruhiger.»
    Mit einem Seufzen ließ Ketil den gekringelten Halm fallen und legte Aki eine Hand auf die Schulter. «Vertrau mir. Sein Zelt wird von Blutmänteln bewacht. Wir haben keine andere Wahl.»
    Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, denn seine Gnade währt …
    Aki schüttelte die schwere Hand ab, sprang auf und rief: «Doch, die haben wir!»
    Die Mönche hörten auf zu singen und drehten sich zu ihnen um.

62.
    Malinas Herz raste. Endlich tauchten in der Dunkelheit die Umrisse der Hütten auf. Sie wurde langsamer, ging die letzten Schritte zur Siedlung und blieb dann stehen. Ihr war so schwindlig, dass sie sich an einem Weidenzaun abstützen musste. Allmählich wurde ihr Atem ruhiger, und die vom Mond beschienenen Häuser nahmen vor ihren Augen deutliche Konturen an.
    Sie hatte wieder einen Menschen getötet. Hatte ihn töten müssen. Mitleid spürte sie nicht, und sie fühlte sich weder gut noch schlecht bei dem Gedanken an das, was geschehen war. Das Einzige, was sie in diesem Moment fühlte, war eine tiefe innere Leere. Der Mönch hätte sie umgebracht, so wie auch Bovo es irgendwann getan hätte. Es war in der Welt so eingerichtet, dass der Schwächere nicht gegen den Stärkeren bestehen konnte. Malina war nicht schwach. Solange ihr das eigene Leben noch etwas bedeutete, würde sie darum kämpfen. Und es war ihr noch immer wertvoll genug, auch wenn es darin zu bestehen schien, sich von Männern missbrauchen zu lassen.
    Männer! Wie Malina sie hasste. Sie waren alle gleich, einer wie der andere. Ihr Vater! Bovo! Der Mönch! Die unzähligen Freier, die es mit ihr getrieben hatten, und die unzähligen, die es noch tun würden. Sie war Freiwild, nur ein Körper, an dem Männer sich abreagierten und befriedigten.
    Sicher hatte es auch den einen oder anderen gegeben, der sie zur Frau genommen hätte, damit sie seinen Haushalt besorgte und seine Kinder großzog. Wenn sie denn überhaupt Kinder bekommen konnte. Bislang hatten die Götter zum Glück nicht vorgesehen, dass Malina schwanger wurde.
    Sie schloss die Augen, atmete durch die Nase tief ein und durch den Mund langsam aus. Dann öffnete sie die Augen wieder, um sich auf den Weg zu machen. Mit einem Lächeln auf den Lippen ließ sie die bösen Gedanken hinter sich.
    Wie immer, wenn Heere bei der Pfalanza lagerten, hatte sich die sonst so beschauliche Siedlung in ein lärmendes, von Bier getränktes Bordell verwandelt. Überall grölten Soldaten, die sich in den Gasthäusern

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