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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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soll er nutzen, um ein Mann zu werden.»
    Sigurd schaute seinen Sohn an. «Hörst du? Fünf Jahre lang wirst du über die Meere fahren. Nach dieser Zeit wirst du in die Mark zurückkehren, um dich und uns alle an dem Sachsen zu rächen. Wenn du mir seinen Kopf bringst, werde ich dich mit offenen Armen empfangen … als meinen Sohn.»
    «Was geschieht mit Eirik?», wollte Hakon wissen.
    «Deine Mutter und Hildirid werden sich um ihn kümmern.»
    Hakon ließ sich von Bergljot Eirik auf den Arm geben. Der Junge nuckelte verängstigt am Geweih der Elchfigur.
    «Noch heute musst du meinen Hof verlassen», sagte Sigurd. «Such dir jemanden in der Stadt, bei dem du bis zum Frühjahr bleiben kannst. Sobald die Schiffe wieder fahren, stichst du in See.»
    Ein Mann hob die Hand. Sein Name war Thorleif. Er war älter als Sigurd. Thorleif hatte kaum noch Zähne im Mund, und sein Gesicht war verschrumpelt wie ein alter Apfel, aber sein Blick war wach und offen. Sigurd und Thorleif waren Freunde, seit sie Kinder waren. Früher hatte Hakon viel Zeit in Thorleifs Haus verbracht, das in der Nähe des Hafens stand.
    «Er kann bei mir wohnen», sagte Thorleif.
    Alle Blicke richteten sich nun auf Bergljot. Ihr Mann hatte zwar gesprochen, aber nach dem, was soeben geschehen war, wussten alle, dass es die Frau des Jarls sein würde, die das letzte Wort in dieser Sache hatte.
    Bergljots Blick glitt von Sigurd zu Hakon. Dann nickte sie, und damit war es entschieden.

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    Teil II
    Im Jahr des Herrn 960

18.
    Der Mönch versank im Moor.
    Immer tiefer wurde er in die Mischung aus Erde, Torf und Wasser gesogen. Eben stand ihm der Morast noch bis an die Oberschenkel, jetzt bereits bis an die Hüften. Er musste sich zwingen, sich nicht übermäßig zu bewegen und ruhig zu atmen, um die aufkommende Panik zu unterdrücken. Doch der schwarze Sumpf schluckte ihn wie zähflüssiger Haferschleim.
    In diesem Moment erkannte Ketil, wie sehr sich seine natürlichen Instinkte durch das Klosterleben abgeschliffen hatten. Beten hatte er gelernt und ein bisschen schreiben und lesen. Aber wie sollte er sich im Moor verhalten? Wie konnte er verhindern, vom Moor verschlungen zu werden?
    Langsam hob er noch einmal die rechte Hand, um nach den über ihm hängenden Zweigen zu greifen. Zwei Äste der Erle, die neben dem Morastloch stand, waren bei den Versuchen, sich herauszuziehen, bereits abgebrochen.
    Das ist die Strafe des Herrn, schoss es ihm durch den Kopf, während sich seine Finger nach dem Ast streckten. Er hatte zu viel geflucht, zu viel getrunken, zu viel gegessen. Und, ja, auch das hatte er getan: Er hatte die alten Götter angebetet, allerdings nur, wenn er glaubte, der Herrgott würde gerade nicht hinhören.
    Nicht einmal das Buch mit den heiligen Schriften des Propheten Sacharja und dem Markusevangelium, das Ketil vor einigen Tagen gestohlen hatte, konnte er jetzt zurate ziehen. Es steckte in der Ledertasche, und die lag einige Schritt von ihm entfernt.
    «O Herr!», flehte Ketil. «Ich gelobe Besserung, das tue ich wirklich. Aber nun hilf mir aus diesem verfluchten Moor!»
    Aber der Herrgott hörte ihn nicht, und Ketil versank noch tiefer. Er spürte, wie der Morast unter ihm weiter nachgab und er schließlich bis zum Bauch einsackte. Um ihn herum zerplatzten Blasen, die einen übel riechenden Fäulnisgestank absonderten. Der Odem der Hölle, dachte er.
    Seine Finger umfassten einen armdicken Ast, der kräftiger zu sein schien als die anderen. Der Ast hielt, und es gelang Ketil, sich festzuhalten. Aber was nun? Wenn er nicht bis zum Jüngsten Gericht in dem Loch stecken bleiben wollte, mit der rechten Hand am Erlenast und dem Hintern im Dreck, musste er handeln. Irgendwie.
    Da fiel ihm die Kordel ein, mit der seine braune Wollkutte zusammengehalten wurde.
    Mit der freien Hand suchte er nach dem Knoten, der bereits im Sumpf steckte. Er ertastete ihn, und es gelang ihm, den Knoten zu öffnen. Dann zog er das vom Morast verfärbte Seil heraus. Nun musste er versuchen, es um den Erlenstamm zu legen. Ketil machte sich so lang wie möglich und streckte die linke Hand mit dem Seil nach der Erle aus. Aber es fehlte mindestens noch eine Armeslänge. Über ihm knackte der Ast bedrohlich. Ketil ließ die Kordel wieder sinken.
    In seiner Verzweiflung hob er den Blick zum wolkenlosen Himmel, dessen sattes Blau zwischen rot, braun und gelb verfärbtem Herbstlaub hindurchschimmerte. Was für ein herrlicher, sonniger Tag! Ein Tag, an dem die

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