Das Lied des Todes
überbringen?»
«Woher wisst Ihr, dass es Evurhard ist, der …?»
«Sprich!», unterbrach ihn Thankmar. «Ich habe nicht viel Zeit. Also, warum schickt Herzog Evurhard einen Gesandten aus dem Frankenland in die dänische Mark?»
«Mein Herr hält sich gegenwärtig auf der Hammaburg auf. Wir reisen durch das sächsische Reich, um Besuche zu machen …»
«Das beantwortet nicht meine Frage.»
Huga nickte eifrig. «In der Tat, in der Tat! Ich werde gleich zur Sache kommen. Ob Ihr aber zuvor einen Schluck Wein für mich hättet? Der Ritt war lang, der Weg staubig.»
Thankmar deutete zum Tisch, auf dem ein Krug und zwei Becher standen. Huga ging hin und schenkte sich ein. Mit dem gefüllten Becher in der Hand drehte er sich wieder um, nahm einen Schluck und sagte: «Ich will nicht lange um die Sache herumreden, Graf. Es gibt Gerüchte, die besagen, dass Ihr nicht ganz freiwillig den Posten des Markgrafen in dieser Gegend übernommen habt, hier oben, im Grenzland der Barbaren.»
Das überraschte Thankmar. Er hatte mit niemandem über die Ereignisse am Rande der Ungarnschlacht gesprochen. Ob Otto selbst diese Gerüchte streute? Aber warum sollte er das tun? Vielleicht hatte der König auch nur eine unbedachte Bemerkung fallen lassen, und dann hatte sich das Gerede verselbständigt. Was auch immer die Ursache war, es gefiel Thankmar gar nicht, dass solche Dinge geredet wurden.
«So etwas erzählt man sich also», meinte er, wobei er sich Mühe gab, seine Überraschung nicht zu verraten.
Huga verzog die Lippen und zeigte sein breitestes Krötengrinsen. «Ach, Ihr wisst doch, Graf, die Menschen reden viel, wenn der Tag lang ist, und die Worte wandern von einem Ohr zum nächsten.»
Dann verschwand das Grinsen plötzlich aus seinem Gesicht. Er kam näher und flüsterte verschwörerisch: «Dennoch ist es sehr interessant, was man so hört. Es heißt, Ihr wärt dem König nicht gerade wohlgesinnt.»
«Otto ist mein Onkel!», entrüstete sich Thankmar und sprang vom Stuhl auf.
Huga trat erschrocken einen Schritt zurück.
Was weiß dieser Kerl noch alles?, schoss es Thankmar durch den Kopf.
Niemandem hatte er von seinen Plänen erzählt. Sein Leben wäre keine Silbermünze mehr wert, wenn Otto zu Ohren käme, dass Thankmar ihn noch immer vom Thron stürzen wollte.
«Ich selbst war es, der dem König das Leben gerettet hat», rief Thankmar. «Dafür hat er mich mit diesem Posten belohnt.»
Das Grinsen kehrte in Hugas Gesicht zurück. «Sicher, sicher! Aber dennoch gibt es Stimmen, die behaupten, dass Ihr eigentlich etwas anderes im Schilde führtet, als Ihr die beiden Magyaren getötet habt, die den König angriffen …»
Da verlor Thankmar die Beherrschung. Was fiel der Kröte ein, ihm solche Dinge zu sagen. Er packte Huga am Hemd und drückte ihn mit dem Rücken gegen die Wand. Mit der freien Hand zog er ein Messer, dessen Klinge er Huga an die Kehle hielt.
Der Becher fiel zu Boden. Ein roter Fleck breitete sich aus. Aus Hugas Miene war alle Überheblichkeit gewichen, in seinen Augen spiegelte sich kalte Angst.
«Graf, bitte tötet mich nicht», japste er. «Wir sind doch auf Eurer Seite. Evurhard ist dabei, eine Streitmacht gegen den König zu formieren.»
Eine Streitmacht gegen den König? Thankmar hätte mit allem gerechnet – aber nicht damit. Das hörte sich viel zu schön an, als dass es wahr sein konnte. Wollte Huga ihm eine Falle stellen? Vielleicht war er doch im Auftrag Ottos gekommen, um Thankmar auszuhorchen?
Er ließ Huga los. Der Gesandte griff sich an den Hals, und es dauerte eine Weile, bis er wieder zu Atem gekommen war.
«Wie kommt Ihr darauf, ich könnte mich Evurhard anschließen?»
«Bitte lasst mich ausreden, Graf. Ich spreche die Wahrheit, wenn ich Euch sage, dass Evurhard beobachtet hat, wie Ihr hinter dem Zelt des Königs verschwunden seid. Und Evurhard hat gesehen, dass Ihr ein …»
Huga warf einen vorsichtigen Blick auf die Klinge in Thankmars Hand. «Er hat gesehen, dass Ihr ein Messer gezogen habt. Vielleicht war es ja sogar das da …»
Thankmar steckte das Messer hinter den Gürtel. War es wirklich möglich, dass Evurhard ihn beobachtet hatte? Alle Männer auf dem Hügel hatten doch zum Schlachtfeld geschaut. Es sei denn … nein, dieser Gedanke erschien wirklich zu abwegig. Dennoch wollte er Thankmar nicht aus dem Kopf gehen. Konnte es sein, dass Herzog Evurhard ebenfalls vorgehabt hatte, den König zu töten, und sich deshalb auf Otto anstatt auf die Schlacht
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