Das Lied des Todes
Ketil ihm nur etwas Gutes tun wollen. Als er noch einmal zum Lager zurückschaute, sah er Ketil mit sorgenvoller Miene davorstehen, das Buch in der rechten Hand, die linke zum Gruß gehoben.
Aki winkte zurück, wobei er versuchte, einen selbstsicheren, erwachsenen Eindruck zu machen. Doch kaum hatte er den Wald verlassen und die offene Wiese betreten, stellte sich ein beklemmendes Gefühl ein, als würde eine Faust auf seinen Brustkorb drücken.
Das unangenehme Gefühl verstärkte sich, als er schon von weitem die roten Mäntel der Soldaten entdeckte. Am einzigen Eingang zum Marktplatz standen sechs schwer bewaffnete Männer. Jeder, der den Platz betreten wollte, musste an ihnen vorbei.
Angst griff nach Akis Herz wie eine eiskalte Hand. Es waren zwar viele Jahre vergangen seit der letzten Begegnung mit dem Grafen. Aber würden seine Soldaten ihn nicht doch wiedererkennen?
Wie damals, als er Grim und dessen Freunden gegenübergetreten war, drängte es ihn zur Umkehr. Bei dem Ballspiel hatte Aki den Fehler begangen, Grim falsch einzuschätzen. War es ebenfalls ein Fehler, wenn er glaubte, er könne jetzt einfach auf den Markt spazieren und die Lebensmittel einkaufen? Immer noch war er mindestens einhundert Schritt vom Marktplatz entfernt. Die Soldaten hatten ihn nicht bemerkt, hatten nicht einmal in seine Richtung geschaut. Aber er konnte unmöglich umkehren. Sie waren auf das Essen angewiesen. Die Hoffnung seiner Familie ruhte auf Aki.
Während er sich den Blutmänteln näherte, dachte er an Ketils Worte von dem Gott, der eine sichere Burg sei und all diese Dinge. Ob dieser Gott wirklich dafür sorgen würde, dass ihn niemand erkannte? Würde es tatsächlich so kommen und Aki unentdeckt bleiben, dann, so nahm er sich vor, würde er vielleicht neu über diesen Gott urteilen.
Mit diesen Gedanken erreichte Aki den Weg, der direkt zum Marktplatz führte. Vor dem Eingang hatte sich eine Schlange gebildet, die stetig länger wurde. Immer wieder geriet die Schar der auf den Platz drängenden Menschen ins Stocken, wenn die Blutmäntel jemanden herausgriffen, um ihn nach Waffen zu durchsuchen. Dies schien eine neue Anordnung des Markgrafen zu sein. Auf den Märkten von Haithabu hatte nach Akis Wissen kein Waffenverbot geherrscht.
Da fiel ihm sein eigenes Messer ein, das wie gewöhnlich unter dem Mantel im Gürtel steckte. Er dachte darüber nach, es einfach wegzuwerfen. Aber eine innere Stimme sagte ihm, dass es schlauer wäre, es zu behalten. Vielleicht galt das Verbot ja auch nur für Waffen wie Schwerter, Lanzen oder Beile? Doch dann sah er, wie die Soldaten am Eingang einen Stoffhändler aus der Schlange zogen. Der Mann musste seinen Mantel öffnen, und als die Soldaten bei ihm ein Messer mit einer kaum fingerlangen Klinge entdeckten, nahmen sie es ihm ab.
Daraufhin wollte Aki sein eigenes Messer schon im Schutz der Menge fallen lassen, als er in der Nähe einen mit Schaffellen beladenen Ochsenkarren sah. Der Besitzer, der spät dran zu sein schien, bahnte sich gestikulierend und rufend einen Weg durch die Menschenschar. Aki schob sich an den Karren heran und stopfte sein Messer zwischen die Felle. Der Karren rumpelte weiter, und nach einer oberflächlichen Kontrolle ließen die Soldaten den Händler passieren.
Dieses Glück hatte Aki nicht, denn es kam, wie er befürchtet hatte. Kaum dass er den Eingang erreichte, packte ihn einer der Soldaten am Arm und zog ihn aus der Menge.
Der Ochsenkarren rollte mit seinem Messer über den Marktplatz davon.
Aki brach der Schweiß aus. Ketils Worte vom Gott, dem Fels der Stärke, gingen ihm wieder durch den Kopf. Jetzt würde dieser Gott zeigen können, ob er etwas für Aki übrighatte.
Der Soldat, der ihn noch immer festhielt, war ein kräftiger Sachse mit vernarbtem Gesicht, der die Sprache der Dänen beherrschte. Er forderte Aki auf, den Mantel zu öffnen.
«Kein Messer dabei oder etwas anderes, mit dem du Unsinn machen willst?», fragte der Soldat.
Aki verneinte. Anstatt ihn jedoch weitergehen zu lassen, starrte ihn der Soldat mit durchdringendem Blick an.
«Junge Kerle wie du wollen nur eins», knurrte der Sachse. «Ihr betrinkt euch und geht den Huren an die Brüste. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Aber wenn euch das Bier zu Kopfe steigt, macht ihr Ärger.»
Dem Mann war deutlich anzumerken, dass er sich selbst lieber mit Huren und Biertrinken beschäftigen wollte, als Leute zu durchsuchen. Und dass Aki ihm gerade recht kam, um an ihm seinen Frust
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