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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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und einschreiten, anstatt sich zu vergnügen.
    In dem Durcheinander sah Aki eine gute Gelegenheit, endlich den Markt zu verlassen. Doch er kam nicht weit. Nach wenigen Schritten holte ihn die junge Frau ein, die vor ihrem Freier geflohen war.
    «Ein Mann mit Geld bist du also», sagte sie. «Begleite mich zum Zelt. Für zwei Münzen kannst du mich haben. Der andere Kerl hat gar nichts, nur dreckige Finger.»
    «Ich … nein … ich muss …», stammelte Aki. Aus der Nähe betrachtet, war die Frau wirklich schön, trotz der dick aufgetragenen Schminke.
    Vom Tisch her hörte er die wütenden Stimmen und Rufe der Soldaten, die versuchten, den Freier festzunehmen. Doch der wehrte sich, und es gelang ihm, die Männer immer wieder abzuschütteln. Schließlich zog Arnulf sein Schwert und hielt es dem betrunkenen Streithahn an die Kehle.
    «Komm schon, Kleiner», zwitscherte die Hure in Akis Ohr.
    Doch Aki hörte ihr nicht zu. Wie vom Donner gerührt starrte er den Betrunkenen an, dem Arnulf gerade die Hände auf dem Rücken zusammenbinden wollte – und der Betrunkene starrte zurück. Während der Mann noch zu überlegen schien, ob er Aki schon einmal begegnet war, hatte Aki den Sklavenhändlersohn Grim wiedererkannt.
    Seine Knie wurden weich. Wie hatte er nur so dumm sein können? Dieser Markt war einer der größten im ganzen Land. Alle Händler, die irgendetwas auf sich hielten und gute Geschäfte machen wollten, waren hier – natürlich auch die Sklavenhändler.
    Die Hure schob eine Hand zwischen Akis Beine.
    «Ich mache alles mit, was du willst», flüsterte sie. «Alles! Zwei Münzen. Bitte, nur zwei Münzen!»
    Aki hatte nur Augen für Grim. Offenbar hatte auch er Aki inzwischen erkannt und schien schlagartig nüchtern geworden zu sein. Er redete auf die Blutmäntel ein, und es dauerte nicht lange, bis er ihre Aufmerksamkeit auf Aki gelenkt hatte.
    Da stieß Aki die Hure von sich und begann mit den Einkäufen in den Armen um sein Leben zu laufen.
    Am Eingang des Marktes bildeten die noch immer dicht gedrängt stehenden Menschen eine unüberwindbare Mauer.
    Verfolgt von den Blutmänteln, schlug Aki einen Haken nach dem anderen. Er hoffte, sich zwischen den Ständen verstecken zu können. Doch die Soldaten waren ihm zu dicht auf den Fersen. Immer wieder musste er anderen Leuten ausweichen. Er rempelte diesen und jenen an und verlor mehrere Zwiebeln und einen der Getreidesäcke.
    Als er an dem Ochsenkarren vorbeikam, in dem er das Messer versteckt hatte, schlug er erneut einen Haken und rannte weiter, bis er endlich den Zaun erreichte. Die Palisade aus in den Boden gerammten Pfählen reichte Aki bis zur Brust und wäre unter normalen Umständen ein überwindbares Hindernis gewesen – aber nicht mit vollbepackten Armen.
    Am Zaun blieb Aki stehen. Er befand sich auf der Rückseite der äußeren Budenreihe, hinter der die Händler leere Kisten, Körbe und Fässer abgestellt hatten. Die Soldaten waren nirgendwo zu sehen. In einiger Entfernung pinkelte ein Mann mit heruntergelassener Hose gegen den Zaun.
    Sollte es Aki tatsächlich gelungen sein, die Blutmäntel abzuschütteln?
    Sofort begann er, Säcke, Körbe und Beutel über den Zaun zu werfen. Die Sachen landeten auf der anderen Seite im Gras.
    Gerade wollte er den mit Trockenfisch gefüllten Korb in Sicherheit bringen, als er hinter sich polternde Geräusche hörte. Er schaute über die Schulter und sah Grim, der in einen Stapel Kisten gefallen war. Grim stieß einen wütenden Fluch aus, dann rappelte er sich wieder auf.
    Aki warf schnell den Fisch auf die andere Seite und schwang sich dann selbst auf die Palisade. Doch Grim bekam eines seiner Beine zu fassen und schleuderte Aki so hart zu Boden, dass diesem beim Aufprall die Luft wegblieb und ihm für einen Moment schwarz vor Augen wurde.
    Als er wieder aufschaute, stand Grim breitbeinig über ihm.
    «Schau an, schau an – der Hurensohn», rief Grim lachend. «Du bist eine Menge Geld wert, weißt du das? Der Graf wird sich freuen, wenn ich …»
    Grim verstummte abrupt, und das Grinsen rutschte aus dem schiefen Gesicht wie ein Haufen Mist von einem Steilhang. Mit einem wütenden Schrei auf den Lippen wich er zurück.
    Sofort sprang Aki auf die Füße. In der Hand hielt er sein Messer, das er Grim in den Oberschenkel gestoßen hatte.
    Während Grim noch entgeistert auf den Blutstrom starrte, der aus seiner aufgerissenen Hose quoll, hechtete Aki zum Zaun, schwang sich darüber und landete auf der anderen Seite

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