Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
beschäftigt, mit einem großen Messer Stücke von einer Schweinekeule abzuschneiden. Als sie Anna gewahr wurde, nickte sie ihr zu.
» Das ist Marianne – Anna « , stellte die Hausherrin sie einander vor. » Seit sie für unser leibliches Wohl sorgt, schmeckt es meinem Gatten hier besser als im Wirtshaus. «
Die Frau lächelte über das Lob und beugte sich wieder über das Schneidebrett.
» Die Gute kann in der Küche wahre Kunstwerke vollbringen, nicht wahr, Marianne? « , klärte Agnes Dürer Anna auf.
Die Köchin lächelte verlegen. » Ich gebe mein Bestes. Willkommen. «
Ihre Herrin tätschelte ihr den Arm. » Frau Dietl wird dir und Susanne in den nächsten Monaten zur Hand gehen. Der junge Mann, den du gleich noch kennenlernen wirst, ist Frau Dietls Bruder Sebastian. Er arbeitet so lange bei uns, bis Hans’ Bein verheilt ist. «
Annas erste Arbeitstage begannen mit einer Bewährungsprobe, denn es galt, den Geburtstag Dürers am einundzwanzigsten Mai vorzubereiten. Die Hausherrin hatte mehrere Fasane liefern lassen, die gefüllt und zubereitet werden mussten. Frisch gebackene Brote, kandierte Früchte, Gemüsebrät sowie süße Honigkuchen sollten das Festmahl ergänzen. Die beiden Frauen hatten alle Hände voll zu tun. Nachdem das Fest ein voller Erfolg wurde und erst kurz vor Morgengrauen feuchtfröhlich endete, gab Frau Dürer Marianne und Anna den nächsten Nachmittag mit den Worten frei, sie hätten noch reichlich Speisen übrig und wollten sich daran gütlich tun.
Die letzten Tage des Wonnemonats vergingen wie im Flug. Annas Hauptaufgabe bestand darin, der Köchin beim Trocknen von Fleisch und Fisch zu helfen, mussten doch die Vorratskammern für die kalte Jahreszeit gefüllt werden. Besonders die auswärtigen Besucher des Malers wurden stets reichlich bewirtet. Niemand solle von Albrecht Dürer je behaupten, er sei ein Geizkragen, hörte Anna ihn in diesen Tagen mehr als einmal zu seiner Frau sagen. Im Stillen musste Anna ihm recht geben, ein Knauserer war Frau Dürers Gatte wirklich nicht.
Diese Erfahrung hatte nicht nur sie machen dürfen, auch andere Hilfebedürftige wies er nicht ab. Einmal wurde Anna Zeugin eines heftigen Streits zwischen den Eheleuten. Er verschenke zu viel, schimpfte die Dürerin, wenn sich seine Großzügigkeit herumspräche, stünden die Schnorrer bald in Scharen vor ihrem Haus. Ihr Mann lachte nur.
Als der Juni begann, zog der Duft von Pasteten durch die Räume und lockte die Hausbewohner in die Küche, um heimlich davon zu kosten.
Wenn alle Arbeiten des Tages erledigt waren, fand sich die Familie Dürer samt ihrer Schüler und Dienstboten gern im Esszimmer ein. Sie baten auch Anna und Sebastian dazu, sodass diese oft erst in Korbinians Haus in der Waaggasse zurückkehrten, wenn der Tag sich neigte. Die Frauen saßen dann bei Handarbeiten beieinander und schwatzten, während sich der Maler im Raum nebenan mit Hans Sachs bei einer Partie Schach vergnügte oder den Meistersänger bei seinem Lied über Luther – die » Wittenbergisch Nachtigall « – auf dem Psalterium begleitete. In jenen Momenten empfand Anna Dankbarkeit, nicht den ganzen Tag in Korbinians Haus verbringen zu müssen, in dem noch immer die Geister der Vergangenheit lebten und sie daran erinnerten, was sie verloren hatte.
KAPITEL 38
K ilian Pankratius schloss die biblia, in der er gelesen hatte, und lehnte sich zurück. Seit ihrer Flucht, die ihn und seine Gefährten bis nach Würzburg geführt hatte, waren ihm zwei Namen nicht aus dem Sinn gegangen. Anna Dietl und Sebastian Stäubling. Mutz hatte ihm schon vor Monaten erzählt, dass die beiden Geschwister seien. Die Boshaftigkeit lag ihnen offensichtlich im Blut. Woche um Woche verging, währenddessen wuchs sein Zorn auf die beiden ins Unermessliche. Der Satan selbst musste ihm diese Familie in den Weg gestellt haben. Erst hatte Anna Dietls Ehemann sich geweigert, das Pergament anzufertigen, das seine Existenz als der verheißene Prophet beweisen sollte. Später war ihr Bruder zum Stadtrat gegangen, um ihn anzuzeigen.
Pankratius knirschte mit den Zähnen. Durfte er Sebastian den Verrat durchgehen lassen? Einmal war es ihm gewesen, als habe er die Worte » Mein ist die Rache, spricht der Herr « vernommen. Hieß das, er sollte nichts gegen diesen Verräter unternehmen, sondern Gott die Sache überlassen? Nein, das konnte nicht die Stimme des Herrn gewesen sein, sondern die eines Dämons, der ihn verwirren wollte.
» Ich bin Gottes Werkzeug « ,
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