Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Sebastian gebeten hatte, ihnen das Gewünschte zu bringen, ging sie in die Stube hinüber und setzte sich neben ihren Gast, der auf einem der Stühle Platz genommen hatte.
Frau Dürers Blick war ernst. » Albrecht und ich wissen endlich, wer das Bild gestohlen hat. «
Anna beugte sich vor. Irrte sie sich, oder vernahm sie in der sonst so festen Stimme ihrer Bekannten ein Zittern?
» Der Dieb, oder besser gesagt die Diebin, hat ein Geständnis abgelegt. Es handelt sich um unsere Magd Gertrudt. Niemals hätten wir ihr so etwas zugetraut. «
» Die Magd hat Euren Gatten bestohlen? Aber warum, um alles in der Welt? «
» Ihr habt also wirklich noch nichts davon erfahren? «
» Seit ich im Lochgefängnis gesessen habe, reden die Leute kaum noch mit mir « , erwiderte Anna.
Ihre Besucherin schnalzte mit der Zunge und machte eine wegwerfende Handbewegung. » Diese Leute sind dumm, das darf Euch nicht kränken. «
» Das ist leichter gesagt als getan « , seufzte Anna und bat ihren Gast, fortzufahren.
Frau Dürers Gesicht verfinsterte sich. » Ich habe Euch doch erzählt, dass Ihr nicht als Einzige Anstoß an Albrechts Darstellung der nackten Männlichkeit genommen habt. «
Sebastian betrat den Raum und stellte einen mit Bier gefüllten Krug auf den Tisch.
» Vor einigen Wochen hat Gertrudt mit einem dieser Schurken aus der Bruderschaft getändelt « , erzählte die Dürerin weiter. » Man hat ihn kürzlich zu vierzig Rutenstreichen verurteilt und nach seiner Brandmarkung der Stadt verwiesen. Meine Magd hat mir vor einigen Tagen gestanden, das Bild in seinem Auftrag gestohlen und ihm übergeben zu haben. Sie sagt, ihr Gewissen hätte sie von Tag zu Tag mehr belastet. Ich glaube eher, es war die Angst vor einer harten Strafe, wenn die Sache herauskäme. Wie auch immer, mein Mann und ich sind sehr enttäuscht. «
Annas Bruder hielt mitten in der Bewegung inne und wandte sich um. » Sepp Stadler ist für Annas Aufenthalt im Loch verantwortlich? «
» Ihr kennt den Mann, Sebastian? «
» Leider « , presste er hervor und stellte Becher auf den Tisch, dass es knallte.
» Sebastian, bitte! « Anna legte ihrem Bruder die Hand auf den Arm. » Reg dich nicht auf, das gehört der Vergangenheit an. «
» Ich weiß, aber manchmal kocht mir einfach die Wut hoch. « Daraufhin gesellte er sich zu den beiden Frauen.
» Woher wusste dieser Stadler von dem Werk Eures Gatten? « , fragte Anna nach kurzem Schweigen und schenkte ihnen ein.
» Gertrudt muss ihm davon berichtet haben. «
» Ihr habt sie sicherlich … «
» … entlassen, natürlich. Auch sie hat die Rute zu spüren bekommen und musste Nürnberg verlassen. Damit gelange ich zum eigentlichen Grund meines Besuches, Anna. Als wir uns das letzte Mal trafen, habt Ihr mir erzählt, dass Ihr Arbeit sucht. Hattet Ihr damit Erfolg? «
» Leider nicht, werte Frau Dürer. Ich habe im Laufe der letzten Monate beinahe jedes Geschäft in dieser Stadt aufgesucht. Aber ob Gerber, Schneider, Schlachtereien oder Spitäler, sie haben mich alle abgewiesen. Entweder weil mir eine Ausbildung fehlt oder weil ihnen zu Ohren gekommen ist, dass ich im Loch eingesessen habe. Die restlichen Leute wollten mich nicht einstellen, weil ich ein kleines Kind habe. «
» Ich bitte Euch, arbeitet für meinen Mann und mich. Wenigstens so lange, bis sich Eure finanzielle Lage gebessert hat oder Ihr eine andere Arbeit findet. Wollt Ihr? «
Annas Augen weiteten sich. » Ich soll Euch die entlassene Magd ersetzen? «
» Das möchten wir Euch anbieten, ja. Ich werde Euch gut bezahlen, und Ihr könnt Euer Haus behalten, wenn Ihr es wollt. Was haltet Ihr davon? «
Anna warf Sebastian, dem die Verwirrung ins Gesicht geschrieben stand, einen fragenden Blick zu. Er krauste kurz die Stirn und nickte. Sie trat an eines der Fenster und sah hinaus auf die Gasse. Eine graue Katze lief über das Pflaster. In ihrem halb geöffneten Maul trug sie einen erbeuteten Vogel und schlich um eine Häuserecke. Anna meinte förmlich Sebastians Gedanken zu hören. Kannst du ihm vertrauen? Hast du ihm verziehen? Als sie sich wieder umdrehte, lächelte sie.
» Ich nehme Euer Angebot gern an, Frau Dürer. «
In deren Miene spiegelte sich Erleichterung. » Wie schön. Damit ist es beschlossen. Wann könnt Ihr anfangen? «
Anna setzte sich wieder. Ihre Knie waren von der unerwarteten Nachricht weich geworden. » Wenn Ihr wollt, gleich morgen. «
» Gut. « Frau Dürer lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. » Wie ist es mit
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