Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Schwerverletzten zu. » Ich bin Arzt. «
Immer mehr Zuschauer drängten nach unten, andere umstanden den Schwerverletzten, aus dessen klaffender Wunde unaufhörlich das Blut hervorsprudelte. Auch Sebastian trat näher.
» Her mit dem Messer! « , befahl der Medicus dem zweiten Büttel.
Dieser reichte dem Arzt die blutverschmierte Klinge. Mit ein paar schnellen Schnitten trennte der Medicus ein Stück seines Leinenhemdes ab und presste es auf die Wunde des röchelnden Mannes.
» Was ist überhaupt geschehen? « , wandte sich Sebastian an einen der Umstehenden.
» Die Büttel sind mit den Verurteilten durch die Halle auf die Tür zugegangen, die ins Lochgefängnis führt «, erklärte der Mann. » Plötzlich stürmten zwei weitere Kerle durch das Portal in die Halle. Der Gerichtsdiener, der den Propheten an einer Kette mit sich führte, wurde niedergestochen, der andere bekam eins mit einem kleinen Beil übergezogen, das einer der Lumpen bei sich hatte. Damit hieben sie die Ketten entzwei, und die fünf konnten fliehen! «
Pankratius drückte seinem gescheckten Hengst die Stiefel in die Flanken und folgte den beiden Unbekannten, die ihm, Bratler und Kärner zur Flucht verholfen hatten. Vor ihnen erhob sich das Tiergärtnertor. Der Mann vor ihm trieb seinen Rappen an, und das Tier galoppierte an. Mit einem erschreckten Aufschrei brachte sich der Torwächter durch einen Sprung in Sicherheit. Im nächsten Moment sprengte das erste Pferd an ihm vorüber durch den Tunnel, gefolgt von Pankratius’ Hengst, dem zweiten Fluchthelfer, der einen Schimmel ritt, sowie Bratler und Kärner auf zwei Braunen.
Erst nach etwa einer Viertelmeile zügelten die Fremden ihre Pferde, um unter einem kahlen Baum anzuhalten. Pankratius lenkte seinen Hengst neben den Mann auf dem Rappen. » Wem verdanken wir es, dass wir nicht auf dem Scheiterhaufen landen werden? «
» Es gibt in Neumarkt einige Anhänger von Euch « , erklärte der andere, » alles vermögende, einflussreiche Männer, die von Eurer Gefangennahme gehört haben. Sie haben uns den Auftrag erteilt, Euch zu befreien. «
» Bringt Ihr uns zu ihnen, damit wir ihnen unseren Dank aussprechen können? «
» Besser nicht. «
Pankratius nickte. Ihn vor der Hinrichtung zu bewahren, war eine Sache, mit ihm gesehen zu werden, erschien seinen heimlichen Anhängern in Neumarkt wohl zu riskant. » Ich verstehe, richtet den Herren meinen Dank aus. «
Der Mann lächelte dünn. Er fasste unter seinen Mantel und löste den Beutel an seinem Gürtel. » Das hier sollen wir Euch geben. Ihr werdet es brauchen. «
Überrascht nahm Pankratius den Beutel entgegen. Er wog schwer in seiner Hand. » Habt vielen Dank. Die Herren müssen mir wirklich wohlgesonnen sein. «
» Sieht ganz so aus. Lebt wohl. « Ihre Retter hoben die Hände zum Gruß und ritten davon.
Pankratius blickte ihnen sinnierend nach, um sich dann zu Bratler und Kärner umzudrehen, die das Gespräch wortlos verfolgt hatten.
» Ihr seht, der Herr ist auf unserer Seite « , erklärte er zufrieden. » Er lässt nicht zu, dass denen etwas geschieht, die Ihm treu bleiben. «
Kärner beugte sich im Sattel vor. » Wie geht es jetzt weiter? «
» Zunächst bringen wir möglichst viele Meilen zwischen uns und diese verfluchte Stadt. Wenn wir nach Norden weiterreiten, kommen wir durch Erlangen. Von dort könnten wir nach Würzburg weiterreisen. Dort kenne ich jemanden, der uns gewiss für eine Weile aufnimmt. Zu Pferd müssten wir es in zwei Tagen schaffen. «
KAPITEL 37
I n den Gärten hinter der Veste waren die ersten Vorboten des Frühlings auszumachen. Märzenbecher, Schneeglöckchen und gelbe Winterlinge erfreuten die Herzen und Augen der Menschen und kündeten vom nahen Osterfest.
» Schwester, du hast Besuch! «
Anna hob den Blick von den Pflanzen des Kräuterbeetes, zwischen deren zarten Stängeln sie wild wucherndes Unkraut herausgezogen hatte. Tief in Gedanken versunken, hatte sie das Knarren der Hintertür gar nicht vernommen, in der nun die Dürerin an der Seite Sebastians stand. Die Frau des Malers nickte dem Bruder zu und näherte sich ihr. Anna wischte sich die Hände an der Schürze ab.
» Frau Dürer, wie schön, Euch zu sehen. «
» Ein feines Gärtchen habt Ihr da « , bemerkte die Besucherin.
» Wollen wir nicht ins Haus gehen? « , lud Anna sie ein. » Es ist recht warm heute. Mein Bruder kann uns einen Krug Bier aus dem Keller heraufholen. «
Nachdem sich Anna in der Küche die Hände gewaschen und
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