Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Gewicht stand.
Sebastian ging in die Hocke. » Steig auf meine Schultern. «
Tilmann pustete sich Luft zu. » Meinst du wirklich? «
» Mach schon. Wenn du hindurch bist, lass dich auf der Rückseite des Stalls hinuntergleiten, damit der Hund dich nicht bemerkt. Er könnte dich allerdings hören, also sei leise. Dann schlag einen Bogen um das Gehöft und versuch, zu der Straße zu gelangen, auf die der Weg zuläuft. «
» Wenn sie kommen, um dich zu holen, sehen sie doch, dass ich verschwunden bin « , wandte Tilmann ein.
» Hier drin ist es ziemlich düster « , wischte Sebastian seine Bedenken fort. » Wir müssen sie in dem Glauben lassen, du liegst im Schweinekoben. Zieh deinen Umhang aus. «
Der Kupferschmied weitete die Augen. » Was hast du vor? «
» Lass mich nur machen. «
Tilmann schlüpfte aus dem Umhang und reichte ihn Sebastian. Der ließ ihn fallen.
» Jetzt mach, dass du hier rauskommst! «
Tilmann seufzte. Nach einem tiefen Atemzug setzte er seine Füße auf Sebastians Schultern. Das Gewicht schmerzte, er biss die Zähne zusammen.
» Gott mit dir! « , presste er hervor.
» Mit dir auch, Sebastian. «
Ein letzter Blick zurück, und der Kupferschmied zog sich durch das Loch und verschwand. Sebastian lauschte auf die Laute des Freundes, dann herrschte wieder Stille. Er kletterte herunter und hob Tilmanns Umhang auf. Nachdem er etwas Stroh zusammengerafft hatte, trat er in den Schweinekoben und formte es zu einem länglichen Haufen, über den er den verschmutzten Stoff legte. Mit viel Glück würden sie ihn im Zwielicht des Stalls für ihren zweiten Gefangenen halten. » Lass es gelingen, Herr « , flüsterte er.
Dann schlich er zur Tür und spähte durch ein Astloch in einem der dicken Bretter. Kärners Hund lag, den Schädel auf den Vorderpfoten, mit halb geschlossenen Augen neben dem Brunnen.
Sebastian lief zurück, baute den Turm aus Strohballen ab und legte sie wieder so hin wie zuvor. Keinen Augenblick zu früh, denn es näherten sich Schritte. Gleich darauf stand Bratler vor ihm, in der Hand hielt er eine Schüssel mit Mus.
» Euer Essen. Mehr gibt’s heute nicht. «
Sebastian nahm es entgegen und dankte Gott leise.
Wieder war er allein. Essen sollte er, mit dem Wissen, dass irgendwo im Stall zwei Tote lagen? Keinen Bissen würde er bei diesem Gestank herunterbekommen. Er stellte die Schüssel neben sich. Wo mochten ihre Mörder den Bauern und dessen Bruder versteckt haben? Vielleicht in der großen Truhe dahinten an der Wand? Er schüttelte sich und wandte den Blick ab. Ob Tilmann schon die Straße erreicht hatte?
Wie Sebastian ihm geraten hatte, war der Kupferschmied in einem Bogen einmal um den Hof herum und durch das Unterholz des Wäldchens geschlichen, bis er auf den Weg gestoßen war, der zur Straße führte. Dort angekommen, blieb er stehen und verschnaufte. Ob sie seine Flucht bereits bemerkt hatten? Zu hören war jedenfalls nichts. Tilmann straffte den Rücken. Verdammt, wo lag Nürnberg? Was, wenn er in die falsche Richtung lief?
Er rannte, so schnell ihn seine Beine trugen. Die Straße erwies sich als menschenleer. Er traute sich nicht anzuhalten, sondern beschleunigte seine Schritte. Als er irgendwann ins Wanken geriet und heftig nach Luft rang, meinte er das Knarren von Rädern vernommen zu haben. Aber er hatte sich getäuscht, die Geräusche verhallten im Nichts. Hätte er nur nicht auf Sebastian gehört und ihn im Stich gelassen. Nun war es zu spät. Er lief und lief, und die Zeit verging. Wie lange er unterwegs war, wusste er nicht.
Endlich vernahm er Hufschläge und drehte sich um. In einiger Entfernung konnte er einen Reiter ausmachen. Als der Mann sich näherte, zügelte er sein Pferd neben Tilmann.
» Gott zum Gruß « , rief der Fremde, dessen untere Gesichtshälfte ein kurz geschnittener Bart zierte. » Zu Fuß unterwegs? Das ist nicht ungefährlich! «
Tilmann nickte grimmig. » Seid Ihr auf dem Weg nach Nürnberg? Bitte, ich brauche Eure Hilfe. Es geht um Leben und Tod! «
Der Mann beugte sich in seinem Sattel vor. » Ja, nach Nürnberg. Aber wenn ich Euch so betrachte, seht Ihr aus, als ob Ihr unter die Räuber gefallen wärt. «
» So etwas Ähnliches, werter Herr « , erwiderte der Kupferschmied voller Ungeduld. » Kennt Ihr Kilian Pankratius? «
» Wer nicht? Warum fragt Ihr? «
» Dieser Mistkerl hat mich und einen anderen Nürnberger in seine Gewalt gebracht, um uns aus Rache zu töten, weil wir gegen seine Bruderschaft ausgesagt haben.
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