Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
Vom Netzwerk:
folgten, unablässig an. Auch er konnte sich der Ausstrahlung von Elia, wie Sepp und die meisten anderen Männer den Prediger inzwischen nannten, nur schwerlich entziehen. Worin die Faszination lag, die Pankratius auf die Menschen ausübte, vermochte Sebastian nicht in Worte zu kleiden.
    » Bei unserem letzten Treffen habe ich euch angekündigt, euch bald wie Schafe unter die Wölfe zu senden « , rief Kilian Pankratius aus, » ganz so, wie der Herr es mit seinen Jüngern getan hat. Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. Ihr werdet der verdorbenen Welt den Untergang verkünden und damit hier in Nürnberg beginnen. Wenn wir mit dieser Stadt fertig sind, ziehen wir weiter nach Regensburg, Ingolstadt und Würzburg. «
    » Was genau sollen wir tun? « , wollte Ferdinand wissen.
    » Wer seine Gegner besiegen will, der muss sie kennen « , lautete die Antwort des Propheten. » Deshalb werde ich morgen die Hauptmesse in St. Lorenz besuchen. Du und einige andere sollt mich begleiten. « Er wies auf eine kleine Gruppe Männer, die neben Sebastian standen. » Lukas und Conrad, ihr kommt mit mir. Dietrich und Josef, ihr auch. « Sein Blick heftete sich auf Sebastian. » Und du ebenfalls. «
    » Ihr meint, ich soll … heißt das, Ihr nehmt mich in die Bruderschaft auf? « , brachte dieser stammelnd hervor.
    » So ist es. Dein Freund gehört ja seit längerer Zeit zu uns, und da du ihn schon mehrfach begleitet hast, gehe ich davon aus, dass es dir ebenfalls bei uns gefällt. « Pankratius’ Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. » Oder irre ich mich da etwa? «
    » Nein, es ist nur so, ich habe … « Mit einem Mal war ihm, als wären alle Augen auf ihn gerichtet.
    » Sprich weiter, Sebastian. «
    » Ich habe gegen Gottes Gebote verstoßen, Sünden begangen, die ich bisher noch keinem Priester gebeichtet habe. Wollt Ihr mich trotzdem? «
    Elia legte Sebastian eine Hand auf die Schulter. » Unser Herr will, dass du dich uns anschließt. Er hat es mir letzte Nacht gesagt, als ich wie so oft stundenlang im Gebet verharrte. Kein Mensch ist ohne Sünde, Sebastian. Mach dir wegen deines bisherigen Lebens keine Gedanken. Allen, die sich Gottes letztem großen Werk anschließen, werden sämtliche Sünden vergeben. «
    Während die Glocken zur Messe riefen, schoben sich die sieben Bruderschaftler zusammen mit vielen anderen Nürnbergern durch die geöffneten Türen des Hauptportals ins Innere von St. Lorenz, um nach freien Plätzen Ausschau zu halten. Viele Bänke waren bereits vergeben, doch im hinteren Teil des Kirchenschiffs konnten sich Elia und seine Anhänger niederlassen. Sogleich senkte der Prophet das Haupt und schien sich ins Gebet zu vertiefen.
    Sebastians Herz wurde leicht wie eine Feder. Der Druck der Sündenschuld war von ihm gewichen. All die Lügen und Diebstähle, alles vergeben! Niemals hätte er geglaubt, dass es so einfach sein könnte, sein altes Leben hinter sich zu lassen. Die Kirche lehrte den reuigen Sünder, einen Priester oder Pfarrer aufzusuchen, der ihm die Beichte abnahm. Unwillkürlich hörte er wieder die Worte und das Stöhnen aus dem Beichtstuhl der Frauenkirche. Auch dieser Pfarrer hatte von den sündigen Menschen gesprochen, aber nur, um die Frau dazu zu überreden, ihm zwischen die Beine zu greifen. Angewidert verzog Sebastian das Gesicht. Elia war anders. Er glaubte an das, was er verkündete, und besaß eine natürliche Autorität. Gewiss, manches klang befremdlich in Sebastians Ohren, doch wer war er, an Gottes Propheten Kritik zu üben? Elia hob den Kopf und nickte ihm zu, als hätte er seine Gedanken gelesen. Wer seine Gegner besiegen will, der muss sie kennen. Sebastian runzelte die Stirn. Wer waren diese Gegner? Der junge Prediger von St. Lorenz vielleicht?
    Er wandte den Blick von Elia ab und sah auf zu den prächtigen Glasfenstern, durch die just in diesem Augenblick das Sonnenlicht fiel und den gewaltigen Hallenchor erfüllte. Wie immer zog ihn die einzigartige Atmosphäre in ihren Bann. Sebastian kannte die Legenden, die sich um das Gotteshaus rankten. Wunder waren hier geschehen, Lahme und Blinde geheilt worden. Ein Teil der Gebeine des heiligen Deocarus ruhten hier, des Patrons aller Augenkranken. Neben einem halben Dutzend Altäre, von denen längst verstorbene Heilige auf die Gläubigen herabschauten, hatte man eigens auch für ihn einen Altar geschaffen. Während nun die Türflügel geschlossen wurden und die Glocken verstummten, schweifte Sebastians Blick weiter zu dem

Weitere Kostenlose Bücher