Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
warteten, gab es an diesem Morgen wohl kaum jemanden , den das soeben Gehörte unbeteiligt ließ.
Lukas Wendel, Dietrich Bratler, Konrad Mutz, Ferdinand, Sepp und Sebastian hatten sich etwas abseits der Messebesucher um Elia geschart. Dieser hatte eine Zeit lang geschwiegen, doch nun streckte er den Rücken und ging über das regennasse Pflaster auf eine Handvoll Männer zu, die sich, kaum einen Steinwurf entfernt, über Osianders Mitteilung unterhielten. » Ihr begrüßt die Nachricht über Luthers Wohlergehen? « , hörte Sebastian ihn sagen.
Er folgte Sepp, um sich mit dem Freund in den kleinen Kreis derer einzureihen, die Elia umgaben.
Der Prophet sprach einen sorgfältig rasierten, in feines Tuch gekleideten Mann an. » Ihr scheint mir jemand zu sein, der genügend Verstand besitzt, um zu erkennen, welch Geistes Kind dieser ehemalige Mönch wirklich ist. «
Der Fremde schürzte die Lippen. » Ihr haltet nichts von dem Wittenberger? «
» Ihr habt es erfasst, guter Mann. Wollt Ihr wissen, warum? «
» Sprecht. Was habt Ihr gegen Doktor Luther? «
Elias Augen verengten sich. » Euer ›Doktor Luther‹ ist ein Ketzer und Verführer. Warum sonst hat der Heilige Vater ihn mit dem Bann belegt? Es heißt, der Kerl habe die päpstliche Bulle verbrannt. « Der andere zuckte die Achseln. Wahrscheinlich ein Kaufmann, vielleicht sogar ein Ratsmitglied, dachte Sebastian.
» Es muss sich endlich etwas ändern in der Kirche « , versetzte der Mann. » Und wenn dieser Sachse das Werkzeug ist, dessen sich der Allmächtige bedient, so soll’s uns recht sein. «
» Ein Werkzeug Gottes? Ihr meint wohl eher des Satans « , höhnte Elia. » Dieser Mann ist der Antichrist und gehört auf den Scheiterhaufen wie weiland Jan Hus in Konstanz. Der Kerl war auch nicht bereit, seine Ketzereien zu widerrufen. «
» Ihr solltet Euch schämen, so über einen Doktor der Theologie zu reden « , erklärte der andere, wandte sich entrüstet ab und ging davon.
Inzwischen waren auch Bratler, Mutz, Wendel und Ferdinand näher getreten und verfolgten den Disput zwischen Elia und den Lutheranhängern, zu denen sich stetig weitere gesellten.
» Antichrist? « , rief einer von ihnen. » Redet keinen Bockmist! Martin Luther wird die Kirche reformieren, hört Ihr! Sie hat es auch bitter nötig. «
» Zugrunde richten, meint Ihr wohl « , gab Elia aufgebracht zurück. » Noch hetzt der Mann gegen den Papst und alles, was uns heilig ist. Was kommt als Nächstes? Die Anstiftung zum Aufruhr gegen die Obrigkeit, wie sie Thomas Münzer allerorten betreibt? Nein, glaubt mir, dieser Luther gehört endgültig ausgemerzt von Gottes Erdboden. «
» Dich sollte man ausmerzen, du Papist! « Mit diesen Worten löste sich ein schlaksiger Bursche aus der Traube von Schaulustigen.
Mit zwei Schritten war er bei Elia. Schon fuhr seine Hand zum Gürtel und riss einen Dolch heraus. Kaum einen Herzschlag später stürzte auch Sebastian vorwärts, fiel dem Mann mit der erhobenen Waffe in den Arm und hielt ihn fest umklammert. Der Kerl warf sich herum. Mit weit aufgerissenen Augen und einem Fluch entwand er sich Sebastians Griff und stieß im selben Moment die Klinge in dessen Schulter. Sebastian stöhnte auf und strauchelte. Nur Sepp hinter ihm verhinderte, dass Sebastian zu Boden stürzte.
» Zahl’s dem Burschen heim « , hörte er den Freund zischen.
Der Mann schnellte vor, die Spitze des Dolchs auf Sebastian gerichtet. Der stieß sich von Sepp ab, hob blitzschnell einen Fuß und trat dem Angreifer die Waffe aus der Hand. Klirrend landete der Dolch auf dem Pflaster. Dennoch gab der Kerl sich nicht geschlagen, sondern bückte sich nach der Klinge.
Ein hochgewachsener Mann trat hinzu. » Lass das Messer liegen, Matthias « , brüllte er, packte den Angreifer mit beiden Händen an seinem Wams und hielt ihn fest. » Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? «
Mit den hängenden Schultern und dem Gesichtsausdruck eines geprügelten Hundes gab der Bursche ein jämmerliches Bild ab. Sebastian presste die Hand auf die schmerzende Schulter und fühlte etwas Feuchtes durch das Hemd dringen. Ihm wurde übel.
» Bist du wahnsinnig, mit deinem Dolch auf mich loszugehen? « , entfuhr es ihm scharf, als der Schlichter seinen Griff lockerte.
» Was kommst du mir auch in die Quere? « , knurrte der Angreifer und machte eine Kopfbewegung zu Kilian Pankratius hin. » Den da wollte ich treffen, nicht dich! Wer das Maul aufreißt und andere ausmerzen will, muss
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