Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
der Hausarbeit zu helfen. Ja, und dann war da noch Sebastian, der feinfühlige Grübler, auf den sie stets ein Auge haben musste. Ihre Mundwinkel hoben sich. Nun war nichts mehr wie früher. Anna kehrte ins Haus zurück und verschloss die Tür mit dem Riegel. Sie musste bald mit Herrn Dietl reden, das war sie ihm schuldig.
Die Gelegenheit bot sich am nächsten Abend, als Korbinian Dietl noch in der Werkstatt arbeitete. Anna setzte Lenchen auf ihren Schoß und beobachtete das geschickte Spiel seiner Hände, während er auf einem Stück Pergament Ornamente vorzeichnete.
Er hob den Kopf. » Ist etwas, Anna? «
» Es geht um Euer Angebot, Herr Dietl. «
Er legte den Gänsekiel beiseite. » Habt Ihr Euch entschieden? «
» Ich muss Euch etwas gestehen « , erwiderte sie leise und nach kurzem Zögern. » Vor langer Zeit schon habe ich mein Herz an einen anderen verschenkt, obwohl er es nicht verdient. Bitte verzeiht, wenn ich Euren Antrag nicht annehmen kann. « Bei ihren Worten huschte ein Schatten über sein Gesicht, trotzdem sprach Anna weiter. » Er ist inzwischen verheiratet, diese Therese Gruber passt wohl besser zu ihm als ich. « Ihre Augen wurden feucht, aber sie wandte sich nicht ab.
» Therese Gruber? Ist das nicht die Tochter von Erhardt Gruber, dem Tuchhändler? Er ist ein wohlhabender Mann. «
Ein Tuchhändler. Das hast du ja fein eingefädelt, Onkel Gerald, schoss es ihr durch den Kopf. Tuchhändler und Gewandschneider, eine wirklich fruchtbare Allianz. Sie rang um Fassung und war froh, Lenchen bei sich zu haben, die den Kopf an ihre Brust schmiegte.
» Herr Dietl, Ihr seid gütig und freundlich und verdient eine Frau, die mehr für Euch empfindet als nur Freundschaft oder Bewunderung. « Sie hielt inne und nahm einen tiefen Atemzug. » Mehr habe ich nun mal nicht zu bieten, es tut mir leid. «
Er musterte sie ernst. » Deshalb also diese Traurigkeit, wenn Ihr Euch unbeobachtet fühlt. Mir tut es ebenfalls leid, Anna, aber lasst mich Euch eins noch sagen: Auch ich bin über den Tod meiner lieben Frau noch nicht hinweg, wir waren einander sehr nah, versteht Ihr? Doch sie ist jetzt bei unserem Herrn, und das Leben muss weitergehen. « Er strich ihr über die Hand und räusperte sich. » Seit Ihr hier seid, habe ich wieder Freude am Leben gefunden. Ihr tut mir und der Kleinen gut. Meint Ihr nicht, wir sollten es miteinander versuchen? Ich werde immer gut für Euch sorgen, das verspreche ich. «
Seine sonst meist abwesenden Züge waren klar, die blonden Haare wirkten, als wäre er mehr als einmal mit den Händen hindurchgefahren. Niemand war je so gut zu ihr gewesen wie dieser Mann. Anna lauschte in sich hinein, wartete auf einen Funken Glück oder zumindest Freude, aber bis auf diese unerklärliche Verbundenheit, die sie ihm gegenüber empfand, blieb alles in ihr still. Gedanklich kehrte sie zu den Ereignissen der vergangenen Monate zurück. Konnte das Leben mit einem Gemahl wie ihm grausamer sein als das innerhalb der Klostermauern? Wohl kaum, immerhin schien auch Herrn Dietls Herz nicht frei von Trauer zu sein. Erleichterte diese Tatsache nicht sogar alles? Nur wer liebt, ist voller Erwartung und droht, verletzt zu werden, oder etwa nicht? Ein Bund aus Freundschaft und gegenseitiger Achtung, war dies möglicherweise das Geheimnis einer guten Ehe, die alle Widrigkeiten des Lebens überdauert? Worauf wartete sie, wenn das Schicksal ihr diese Wendung bot?
Sebastian und ich wären in Sicherheit, wir müssten uns nicht länger verstecken, dachte sie mit trockener Kehle. Sie spürte, wie der Buchmaler jede ihrer Regungen gespannt verfolgte, während in ihrem Inneren ein Kampf tobte, der von Verantwortung, Pflicht und der Trauer um eine verlorene Liebe handelte. Hin und her wurde sie geschüttelt, wie ein Fähnchen, das der Wind mal in die eine und mal in die andere Richtung wehte. Was sollte sie nur tun?
» Glaubt mir, Ihr bedeutet mir sehr viel, Anna. Bitte, werdet meine Frau. Wir könnten uns gegenseitig Halt geben « , brachte Dietl stockend und mit einem verlegenen Lächeln hervor.
Für einen Moment schloss Anna die Augen, und Bilder vergangener glücklicher Momente zogen in ihrer Erinnerung an ihr vorbei. Als sie die Lider wieder öffnete, lag Dietls warmer Blick auf ihrem.
» Danke, ich … ich nehme Euer Angebot an. «
KAPITEL 16
S ebastian entdeckte eine ganze Anzahl neuer Gesichter. Männer jeglichen Alters und Standes füllten den Raum. Offensichtlich wuchs die Zahl derer, die Pankratius
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