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Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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auf der Stelle begraben haben. «
    » Sie haben was? « , flüsterte Anna mit weit aufgerissenen Augen. » Wenn Korbinian, ich meine, mein Mann … wieso wurde er denn nicht nach Nürnberg gebracht « , sie schnappte nach Luft, » damit ich ihn in geweihter Erde beerdigen lassen kann? «
    » Das war unglücklicherweise nicht möglich. Frau Dietl, Ihr solltet den beiden Herren dankbar sein, denn sie haben Euren Gatten zur letzten Ruhe gebettet, bevor … «
    Anna erhob sich ruckartig. » Bevor was? «
    Der jüngere Büttel drehte seinen Hut in den Händen und blickte an ihr vorbei, dann kam er seinem Begleiter zu Hilfe. » Bevor … bevor die wilden Tiere sich weiter an ihm vergehen konnten. «
    » Wilde Tiere « , erwiderte sie tonlos.
    » Ja, leider. Zu unserem Bedauern können wir Euch keine andere Nachricht überbringen. «
    Mit diesen Worten erhoben sich die beiden Männer. Sie wünschten ihr noch den Segen Gottes, setzten ihre Hüte auf und ließen sie allein. Als die Haustür hinter den Bütteln ins Schloss fiel, fuhr Anna zusammen. Reglos verharrte sie auf dem Stuhl, unfähig, sich zu bewegen, und beobachtete, wie alles in ihr still wurde.
    Verrann die Zeit, oder waren nur wenige Herzschläge vergangen? Sie wusste es nicht, blinzelte und streckte die Hand nach dem Becher aus, der neben dem Krug stand. Ihre Finger waren gefühllos, aber schließlich gelang es ihr, sich einzuschenken. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet, und sie stürzte den Inhalt des Bechers in einem Zug herunter, ohne jedoch etwas schmecken zu können. Gewiss war sie in einem Traum gefangen, einem jener furchtbaren, aus denen man des Morgens schweißnass erwachte. Es konnte gar nicht anders sein.
    Auf einmal war es ihr, als würde ein Laut die Nebel durchdringen, fordernd und immer nachdrücklicher. Anna nahm einen hastigen Atemzug und schüttelte den Kopf. Und wieder waren da diese seltsamen Töne. Sie zwang sich, den Blick durch den Raum schweifen zu lassen. Lenchen. Die Kleine lag auf dem Bauch, hatte jämmerlich das Gesicht verzogen. Dicke Tränchen kullerten über ihre Wangen. Schwankend stand Anna auf, bückte sich und nahm das Kind auf den Arm. Wie lange mochte Magdalena schon geweint haben, ohne dass sie es bemerkt hatte?
    » Ist ja schon gut, mein Liebling « , murmelte sie mit einer Stimme, die nicht ihr zu gehören schien.
    Sofort hörte Lenchen auf zu weinen und tapste mit den Fingern nach ihrer Nase, ihren Wangen.
    » Die beiden Männer täuschen sich, weißt du? « , sagte sie wie zu sich selbst. » Dein Vater wird bestimmt bald zur Tür hereinkommen und sich wundern, warum wir heulen wie die Klageweiber. « Noch während sie diese Worte aussprach, überfielen sie Zweifel. Sollte Korbinian lediglich in Schwierigkeiten stecken, hätte er Mittel und Wege gefunden, um sie zu benachrichtigen. Niemals hätte er zugelassen, dass sie sich unnötig sorgte.

KAPITEL 24
    A nna warf der Brille, die nach wie vor auf dem Tisch lag, einen Blick zu und schauderte. Tränen verschleierten ihr die Sicht, während sie das Kind wiegte. Magdalena lehnte sich vertrauensvoll an sie und schien ihre Verzweiflung zu spüren. Annas Gedanken wirbelten durcheinander, und immer wenn sie versuchte, einen davon festzuhalten, war er auch schon wieder fort – wie eine Seifenblase, die sich bei der ersten Berührung in Luft auflöste, als wäre sie nie gewesen.
    Sie brauchte dringend frische Luft, daher zog sie Magdalena und sich mit fahrigen Bewegungen warm an. Kurze Zeit später trat sie mit der Kleinen auf die Straße und irrte umher, auf der Suche nach einem Ziel, einem Ort, an dem sie willkommen war. Wo sie die Kälte, die sich durch jede Pore ihres Körpers zu fressen schien, besiegen konnte. Menschen gingen an ihr vorüber, andere sprachen sie an, aber sie schritt wortlos weiter, überquerte auf einer der Brücken den Fluss und fand sich im südlichen Teil der Stadt wieder. Unvermittelt blieb sie vor dem Portal von St. Lorenz stehen, zu dem ihre Schritte sie geführt hatten, und blinzelte. Eine bleierne Schwere überfiel sie jäh. Mit unsicheren Schritten stieg sie die wenigen Stufen zum Gotteshaus empor und trat ins Halbdunkel des nur von wenigen Kerzen erhellten Kirchenraumes. Sie suchte sich einen Platz am Rande einer Bank.
    Außer ihr befanden sich nur wenige Menschen im Gotteshaus, und die waren mit sich selbst beschäftigt und achteten nicht auf sie. Lenchen sah sie mit ihren großen Augen an, ahnungslos und unschuldig, wie nur Kinder es vermögen.

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