Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
Robb hatte es ihm nicht verweigert. Sie hatte dreißig Mann um sich, die entschlossen waren, dafür zu sorgen, dass sie unversehrt blieb und sicher heim nach Winterfell geleitet wurde, falls sich die Schlacht gegen sie wenden sollte. Robb hatte fünfzig gewollt. Catelyn hatte darauf beharrt, dass zehn genügten, dass er jedes Schwert in der Schlacht brauchte. Sie einigten sich auf dreißig und waren beide damit nicht glücklich.
»Es wird kommen, wie es kommt«, erklärte ihm Catelyn. Wenn es kam, das wusste sie, würde es den Tod bedeuten. Hallis’ Tod vielleicht oder ihren oder Robbs. Niemand war sicher. Kein Leben war gewiss. Catelyn gab sich damit zufrieden zu warten, dem Flüstern im Wald und der leisen
Musik des Baches zu lauschen, die Wärme und den Wind in ihrem Haar zu spüren.
Schließlich war ihr das Warten auch nicht fremd. Stets hatten sie die Männer warten lassen. »Wart auf mich, mein kleines Kätzchen«, hatte ihr Vater ihr erklärt, wenn er zum Hof, zum Fest oder in die Schlacht ritt. Und das tat sie dann, stand geduldig auf den Zinnen von Schnellwasser, während die Fluten von Trommelstein und Rotem Arm vorüberflossen. Nicht immer kam er, wenn er sagte, dass er käme, und oft genug vergingen Tage, die Catelyn auf ihrer Wacht verbrachte und durch Schießscharten spähte, bis sie Lord Hoster auf seinem braunen Wallach entdeckte, wie er am Ufer des Flusses entlang zum Anleger trabte. »Hast du auf mich gewartet?«, fragte er dann, während er sich zu ihr herabbeugte, um sie zu umarmen. »Hast du gewartet, mein kleines Kätzchen?«
Auch Brandon Stark hatte sie gebeten, auf ihn zu warten. »Es wird nicht lange dauern, Mylady«, hatte er geschworen. »Bei meiner Rückkehr werden wir heiraten.« Doch als der Tag dann endlich kam, war es sein Bruder Eddard, der in der Septe an ihrer Seite stand.
Ned war kaum zwei Wochen bei seiner neuen Braut gewesen, als auch er mit Versprechungen auf den Lippen in den Krieg gezogen war. Zumindest hatte er ihr nicht nur Worte dagelassen. Er hatte ihr einen Sohn geschenkt. Neun Monde vergingen, und Robb kam in Schnellwasser zur Welt, während sein Vater noch im Süden kämpfte. Sie hatte ihn in Blut und Schmerz geboren, ohne zu wissen, ob sie Ned je wieder sehen würde. Ihr Sohn. Er war so klein gewesen …
Und nun wartete sie auf Robb … auf Robb, und auf Jaime Lennister, den güldenen Ritter, von dem man sagte, er habe nie gelernt zu warten. »Der Königsmörder ist rastlos und leicht zu erzürnen«, hatte ihr Onkel Brynden Robb erklärt.
Und er hatte das Leben aller und die Hoffnungen auf einen Sieg, auf die Wahrheit dessen, was er sagte, gebaut.
Falls Robb sich fürchtete, so ließ er es sich nicht anmerken. Catelyn beobachtete ihren Sohn, wie er zwischen den Männern umherging, einem auf die Schulter klopfte, mit einem anderen scherzte, einem dritten half, ein ängstliches Pferd zu beruhigen. Seine Rüstung klirrte leise, wenn er sich bewegte. Nur sein Kopf war unbedeckt. Catelyn sah, wie eine Brise sein kastanienbraunes Haar durchwehte, ihrem eigenen so ähnlich, und fragte sich, wann ihr Sohn so groß geworden war. Fünfzehn und fast so groß wie sie.
Lasst ihn noch größer werden, bat sie die Götter. Lasst ihn seine sechzehn erleben, und zwanzig und fünfzig. Lasst ihn so groß wie sein Vater werden und seinen eigenen Sohn in Armen halten. Bitte. Bitte. Bitte. Während sie ihn betrachtete, den großen, jungen Mann mit dem neuen Bart und dem Schattenwolf an seinen Fersen, konnte sie nur den Säugling sehen, den man ihr vor so vielen Jahren in Schnellwasser an die Brust gelegt hatte.
Die Nacht war warm, doch der Gedanke an Schnellwasser genügte, um es ihr kalt über den Rücken laufen zu lassen. Wo sind sie?, fragte sie sich. Konnte ihr Onkel sich getäuscht haben? So vieles ruhte auf dem Wahrheitsgehalt dessen, was er ihnen erklärt hatte. Robb hatte dem Schwarzfisch dreihundert ausgesuchte Männer gegeben und sie vorausgeschickt, um seinen Marsch zu schützen. »Jaime weiß nichts davon«, sagte Ser Brynden, als er zurückkam. »Darauf verwette ich mein Leben. Kein Vogel hat ihn erreicht, dafür haben meine Schützen schon gesorgt. Wir haben einige seiner Kundschafter gesehen, aber diejenigen, die uns erspäht haben, können davon nicht mehr berichten. Er hätte mehr von ihnen schicken sollen. Er weiß es nicht.«
»Wie groß ist seine Streitmacht?«, fragte ihr Sohn.
»Zwölftausend Fußsoldaten, in drei Lagern um die Burg
verteilt, mit den
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