Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
Pferde wieherten. Männer brüllten Flüche und flehten um Gnade und bekamen sie gewährt (oder nicht) und lebten (oder starben). Die Hänge schienen mit den Geräuschen Schabernack zu treiben. Einmal hörte sie Robbs Stimme so klar, als stünde er gleich neben ihr und riefe: »Zu mir! Zu mir!« Und sie hörte seinen Schattenwolf, bellend und knurrend, hörte seine langen Zähne klappen, wie er zerfleischte, hörte Schreie vor Angst und Schmerz von Mensch und Pferd. War da nur ein Wolf? Man konnte schwerlich sicher sein.
Stück für Stück ließ der Lärm nach und erstarb, bis schließlich nur der Wolf noch da war. Als rot der Morgen im Osten erwachte, fing Grauwind wieder an zu heulen.
Robb kam auf einem anderen Pferd zu ihr zurück, ritt einen gescheckten Wallach an Stelle des grauen Hengstes, der ihn ins Tal getragen hatte. Der Wolfskopf an seinem Schild war in zwei Teile gespalten, und rohes Holz war zu sehen, wo tiefe Furchen hineingehackt waren, doch Robb selbst schien unverletzt. Indem er näher kam, sah Catelyn, dass sein Kettenhandschuh und der Ärmel seines Wappenrocks schwarz von Blut waren. »Du bist verletzt«, sagte sie. »Das ist … Torrhens Blut vielleicht, oder …« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Eine Meute von Männern folgte ihm den Hang hinauf, dreckig und verbeult und grinsend, mit Theon und dem Großjon an ihrer Spitze. Zwischen sich schleppten sie Ser Jaime Lennister. Sie stießen ihn vor Catelyns Pferd zu Boden. »Der Königsmörder«, verkündete Hal unnötigerweise.
Lennister hob den Kopf. »Lady Stark«, sagte er auf Knien liegend. Blut lief aus einem Schnitt am Kopf über seine Wange, doch das fahle Licht der Morgendämmerung hatte den goldenen Glanz in seinem Haar wieder erweckt. »Ich würde Euch mein Schwert anbieten, nur scheine ich es verlegt zu haben.«
»Nicht Euer Schwert will ich, Ser«, erklärte sie ihm. »Gebt mir meinen Vater und meinen Bruder Edmure. Gebt mir meine Töchter. Gebt mir meinen Hohen Gatten.«
»Auch sie habe ich nicht bei mir, wie ich fürchte.«
»Schade«, erwiderte Catelyn kalt.
»Töte ihn, Robb«, drängte Theon Graufreud. »Schlag ihm den Kopf ab.«
»Nein«, antwortete ihr Sohn, wobei er sich den blutigen Handschuh vom Arm schälte. »Lebend nützt er uns mehr als tot. Und mein Hoher Vater hat den Mord an Gefangenen nach einer Schlacht nie gutgeheißen.«
»Ein weiser Mann«, sagte Jaime Lennister, »und ehrenhaft. «
»Führt ihn weg und legt ihn in Ketten«, sagte Catelyn.
»Tut, was meine Hohe Mutter sagt«, befahl Robb, »und sorgt dafür, dass er von starken Wachen umgeben ist. Lord Karstark wird seinen Kopf auf einem Spieß sehen wollen. «
»Das wird er allerdings«, gab der Großjon ihm Recht. Bandagiert und in Ketten wurde Lennister fortgebracht.
»Warum sollte sich Lord Karstark seinen Tod wünschen? «, fragte Catelyn.
Robbs Blick wich in die Wälder, mit dem gleichen brütenden Blick, den Ned oft hatte. »Er … er hat sie erschlagen …«
»Lord Karstarks Söhne«, erklärte Galbart Glauer.
»Beide«, sagte Robb. »Torrhen und Eddard. Und Daryn Hornwald dazu.«
»Niemand kann dem Lennister seine Tapferkeit vorwerfen«, sagte Glauer. »Als er sah, dass er verloren war, hat er seine Gefolgsleute um sich versammelt und sich einen Weg das Tal hinaufgebahnt, in der Hoffnung, Lord Robb zu finden und niederzumachen. Und fast hätte er es auch geschafft.«
»Sein Schwert hat er in Eddard Karstarks Hals verlegt, nachdem er Torrhen die Hand abgehackt und Daryn Hornwald den Schädel gespalten hatte«, sagte Robb. »Die ganze Zeit über hat er nach mir gerufen. Wenn sie nicht versucht hätten, ihn aufzuhalten …«
»… wäre ich es, die an Stelle von Lord Karstark trauern würde«, sagte Catelyn. »Deine Männer haben getan, was sie geschworen hatten, Robb. Sie starben, als sie ihren Lehnsherrn schützten. Trauere um sie. Ehre sie für ihren Heldenmut. Doch nicht jetzt. Jetzt hast du keine Zeit zum Trauern. Du magst einer Schlange den Kopf abgeschlagen haben, doch drei Viertel ihres Leibes schlingen sich nach wie vor um die Burg meines Vaters. Wir haben eine Schlacht gewonnen, nicht den Krieg.«
»Aber was für eine Schlacht!«, ereiferte sich Theon Graufreud eifrig. »Mylady, seit dem Feld des Feuers hat das Reich keine solche Schlacht gesehen. Ich schwöre, die Lennisters haben zehn Mann für jeden der unsrigen verloren. Wir haben fast hundert Ritter gefangen genommen und ein Dutzend Lords. Lord Westerling,
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