Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
hinabsah, doch erkannte sie ihn gleich. Selbst auf diese Entfernung war Ser Jaime Lennister unverkennbar. Das Mondlicht ließ seine Rüstung und das goldene Haar silbern leuchten und färbte seinen dunkelroten Umhang schwarz ein. Er trug keinen Helm.
Er war da und schon wieder fort, die silbrige Rüstung hinter den Bäumen verborgen. Andere folgten ihm, lange Kolonnen von Rittern und Söldnern und freien Rittern, drei Viertel aller Reiter der Lennisters.
»Er ist nicht jemand, der im Zelt sitzt, während seine Zimmerleute Belagerungstürme bauen«, hatte Ser Brynden vorhergesagt. »Dreimal schon ist er mit seinen Rittern ausgeritten, um Banditen zu jagen oder eine widerspenstige Festung zu stürmen.«
Nickend hatte Robb die Karte studiert, die sein Onkel ihm gezeichnet hatte. Ned hatte ihren Sohn gelehrt, Karten
zu lesen. »Überfallt ihn hier«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf die Stelle. »Ein paar hundert Mann, nicht mehr. Unter dem Banner der Tullys. Wenn er Euch verfolgt, warten wir hier«, seine Finger glitten einen Daumenbreit nach links, »hier.«
Hier war ein Schweigen in der Nacht, Mondlicht und Finsternis, ein dicker Teppich aus Blättern unter den Füßen, dicht bewaldete Hügel, die sanft zum Flussbett abfielen, und das Unterholz dünnte aus, je weiter man nach unten kam.
Hier war ihr Sohn auf seinem Hengst, der sich ein letztes Mal zu ihr umsah und das Schwert zum Gruße hob.
Hier war das Gellen von Maegen Mormonts Kriegshorn, ein langer, tiefer Ton, der von Osten her durchs Tal rollte, um ihnen zu sagen, dass der letzte von Jaimes Reitern in der Falle saß.
Und Grauwind warf den Kopf in den Nacken und heulte.
Dieses Geräusch ging Catelyn durch und durch, und sie merkte, dass sie zitterte. Es war ein schreckliches Geräusch, ein Furcht erregendes Geräusch, doch lag auch Musik darin. Eine Sekunde lang empfand sie so etwas wie Mitleid für die Lennisters unter sich. So also klingt der Tod, dachte sie.
HAArooooooooooooooooooooooooo kam die Antwort vom Hügel gegenüber, als der Großjon ins Horn stieß. Im Osten und Westen bliesen die Trompeten der Mallisters und Freys zur Rache. Im Norden, wo das Tal eng wurde und sich wie ein eingeknickter Ellenbogen wand, stimmten Lord Karstarks Kriegshörner mit tiefen, traurigen Tönen in den düsteren Chor ein. Männer schrien, und Pferde scheuten im Wasser unter ihr.
Der flüsternde Wald stieß seinen Atem mit einem Mal aus, als die Bogenschützen, die Robb in den Ästen der Bäume versteckt hatte, ihre Pfeile fliegen ließen und die Nacht vom Geschrei der Männer und Pferde zum Leben erwachte.
Überall um sie herum hoben Reiter ihre Lanzen, und Erde und Blätter, unter denen die grausamen, blitzenden Spitzen verborgen gelegen hatten, gaben den Glanz von geschärftem Stahl preis. »Winterfell!« , hörte sie Robb rufen, als die Pfeile erneut seufzten. Im Trab entfernte er sich von ihr, führte seine Männer den Hügel hinab.
Catelyn saß auf ihrem Pferd, ungerührt, mit Hal Mollen und ihrer Garde um sich, und sie wartete, wie sie schon früher gewartet hatte, auf Brandon, Ned und ihren Vater. Sie stand hoch auf dem Hügel, und die Bäume verbargen das meiste von dem, was unter ihr geschah. Ein Herzschlag, zwei, vier, und plötzlich war es, als sei sie mit ihren Beschützern allein im Wald. Der Rest war im Grün dahingeschmolzen.
Doch als sie übers Tal zur anderen Seite blickte, sah sie, dass Großjons Reiter aus dem Dunkel unter den Bäumen kamen. Sie bildeten eine lange Reihe, eine endlose Reihe, und als sie aus dem Wald hervorbrachen, gab es einen Augenblick, den denkbar kürzesten Bruchteil eines Herzschlags, in dem Catelyn nur das Mondlicht an den Spitzen ihrer Lanzen sah, als kämen tausend Leuchtkäfer den Hang herab, zu silbernen Flammen geflochten.
Dann blinzelte sie, und es waren nur Männer, die hinuntereilten, um zu töten oder zu sterben.
Später konnte sie nicht behaupten, die Schlacht gesehen zu haben. Doch konnte sie den Kampf hören, und im ganzen Tal hallte das Echo nach. Das Knacken einer brechenden Lanze, das Klirren von Schwertern, die Rufe »Lennister« und »Winterfell« und »Tully! Schnellwasser und Tully!«. Sie merkte, dass es nichts zu sehen gab, schloss die Augen und lauschte nur. Um sie herum tobte die Schlacht. Sie hörte Hufschlag, eiserne Stiefel klatschten durch flaches Wasser, Schwerter krachten auf eichene Schilde, und Stahl traf klirrend Stahl, Pfeile zischten, Trommeln donnerten,
tausend verschreckte
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