Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
Flüssen dazwischen«, sagte ihr Onkel mit dem runzeligen Lächeln, an das sie sich so gut erinnerte. »Es gibt keine andere Möglichkeit, Schnellwasser zu belagern, und dennoch wird es ihr Verderben sein. Zwei- oder dreitausend Reiter.«
»Der Königsmörder ist uns drei zu eins überlegen«, gab Galbart Glauer zu bedenken.
»Stimmt wohl«, sagte Ser Brynden, »doch gibt es etwas, an dem es Ser Jaime mangelt.«
»Ja?«, fragte Robb.
»Geduld.«
Ihre Armee war größer als bei ihrem Abmarsch von den Zwillingen. Lord Jason Mallister hatte seine Mannen von Seegart hergeführt und sich ihnen am Oberlauf des Blauen Armes auf ihrem Weg nach Süden angeschlossen, und noch andere waren hervorgetreten, kleine Ritter und kleine Lords und herrenlose Soldaten, die gen Norden geflohen waren, als die Armee ihres Bruders Edmure unter den Mauern von Schnellwasser aufgerieben worden war. Sie hatten ihre Pferde so hart angetrieben, wie sie es wagten, um hier zu sein, bevor Jaime Lennister Nachricht von ihrem Anmarsch erhielte, und nun war die Stunde gekommen.
Catelyn sah, wie ihr Sohn aufstieg. Olyvar Frey hielt ihm das Pferd, Lord Walders Sohn, zwei Jahre älter als Robb, und doch zehn Jahre jünger, was die Angst betraf. Er band Robbs Schild fest und reichte ihm seinen Helm. Als er ihn über dieses Gesicht schob, das sie so sehr liebte, saß ein großer, junger Ritter auf seinem grauen Hengst, wo eben noch ihr Sohn gewesen war. Es wurde dunkel zwischen den Bäumen, wo der Mond nicht leuchtete. Robb drehte den Kopf, um sie anzusehen, aber sie konnte in seinem Visier nur Schwarzes erkennen. »Ich muss die Reihen abreiten, Mutter«, erklärte er ihr. »Vater sagt, vor einer Schlacht sollte man sich bei den Männern noch mal blicken lassen.«
»Dann geh«, sagte sie. »Lass dich bei ihnen blicken.«
»Es wird ihnen Mut machen«, sagte Robb.
Und wer wird mir Mut machen?, fragte sie sich, doch schwieg sie still und zwang sich für ihn zum Lächeln. Robb wendete den großen, grauen Hengst und lenkte ihn langsam fort von ihr, wobei Grauwind sich in seinem Schatten hielt. Hinter ihm formierte sich seine Garde für die Schlacht. Als er Catelyn gedrängt hatte, ihre Beschützer zu akzeptieren, hatte sie darauf bestanden, dass auch er eine Garde bräuchte, und die hohen Lords hatten ihr Recht gegeben. Viele von deren Söhnen hatten lautstark die Ehre eingefordert, mit dem Jungen Wolf reiten zu dürfen, wie sie ihn inzwischen nannten. Torrhen Karstark und sein Bruder Eddard waren unter den dreißig, und Patrek Mallister, Kleinjon Umber, Daryn Hornwald, Theon Graufreud, nicht weniger als fünf aus Walder Freys vielköpfiger Brut, neben älteren Männern wie Ser Wendel Manderly und Robin Flint. Unter seinen Begleitern war sogar eine Frau: Darya Mormont, Lady Maegens älteste Tochter und Erbin der Bäreninsel, ein hoch aufgeschossenes Weib, dem man in einem Alter schon den Morgenstern gegeben hatte, als die meisten Mädchen noch Puppen geschenkt bekamen. Manche der anderen Lords murrten darüber, doch wollte Catelyn von ihren Klagen nichts hören. »Es geht hier nicht um die Ehre Eurer Häuser«, hatte sie ihnen erklärt. »Es geht darum, dafür zu sorgen, dass mein Sohn am Leben bleibt.«
Und was das angeht, überlegte sie, sind dreißig wohl genug? Wären sechstausend denn genug?
Leise rief ein Vogel in der Ferne, ein hoher, scharfer Triller, der sich wie eine eisige Hand in Catelyns Nacken anfühlte. Ein anderer Vogel antwortete, ein dritter, ein vierter. Sie kannte ihren Ruf sehr gut aus ihren Jahren auf Winterfell. Schneewürger. Manchmal sah man sie im tiefsten Winter,
wenn im Götterhain alles weiß und still war. Sie waren Vögel des Nordens.
Sie kommen, dachte Catelyn.
»Sie kommen, Mylady«, flüsterte Hal Mollen. Der Mann sprach Offensichtliches stets aus. »Mögen die Götter bei uns sein.«
Sie nickte, während es im Wald um sie ganz leise wurde. In der Stille konnte sie sie hören, in weiter Ferne, doch kamen sie näher. Das Getrappel vieler Pferde, das Rasseln von Schwertern und Speeren und Rüstungen, das Murmeln menschlicher Stimmen, mit einem Lachen hier und einem Fluchen dort.
Ewigkeiten schienen zu verstreichen. Die Geräusche wurden lauter. Sie hörte mehr Gelächter, ein lautes Kommando, Platschen, als sie den kleinen Bach hin und her überquerten. Ein Pferd schnaubte. Ein Mann fluchte. Und dann endlich sah sie ihn … nur für einen Augenblick, eingerahmt zwischen den Ästen der Bäume, als sie ins Tal
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