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Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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weinte sie, bettelte durch die Tür, man möge ihr sagen, was vor sich ginge, rief nach dem Vater, nach Septa Mordane, nach dem König, nach ihrem tapferen Prinzen. Falls die Männer, die sie bewachten, ihr Flehen vernahmen, so gaben sie keine Antwort. Nur einmal ging die Tür auf, und zwar in jener Nacht, als sie Jeyne Pool zu ihr hereinwarfen, mit blauen Flecken übersät und zitternd. »Sie bringen alle um«, hatte die Tochter des Haushofmeisters geschrien. Sie redete und redete. Der Bluthund habe ihre Tür mit einem Streithammer eingeschlagen, erzählte sie. Leichen lägen auf der Treppe zum Turm der Hand, und die Stufen seien rutschig vom Blut. Sansa wischte ihre eigenen Tränen fort und tröstete die Freundin. Sie schliefen im selben Bett, umarmten einander wie Schwestern.
    Am zweiten Tag war es noch ärger. Die Kammer, in die man Sansa gesperrt hatte, lag oben im höchsten Turm von Maegors Feste. Vom Fenster aus konnte sie sehen, dass die schweren, eisernen Fallgitter im Torhaus herabgelassen waren, und hochgezogen war auch die Zugbrücke über dem trockenen Burggraben, der die Burg in der Burg von der großen Festung außen trennte. Gardisten der Lennisters schlichen mit Spießen und Armbrüsten in Händen auf den Mauern herum. Der Kampf war vorüber, und Grabesstille hatte sich über den Roten Bergfried gesenkt. Zu hören war nur noch Jeyne Pools endloses Jammern und Schluchzen.
    Man gab ihnen zu essen – harten Käse und frisch gebackenes Brot mit Milch am Morgen, Brathühnchen mit Gemüse am Mittag und zum späten Abendbrot einen Eintopf aus Rindfleisch und Gerste –, aber die Diener, die das Essen brachten, wollten auf Sansas Fragen keine Antwort geben. An diesem Abend brachten ihr einige Frauen Kleider aus dem Turm der Hand und dazu einige von Jeyne Pools
Sachen, doch schienen sie fast so verängstigt wie Jeyne; sie versuchte, mit ihnen zu sprechen, da flohen sie vor ihr, als hätte sie die graue Pest. Die Wachen vor der Tür weigerten sich nach wie vor, sie aus der Kammer zu lassen.
    »Bitte, ich muss mit der Königin reden«, erklärte Sansa ihnen, wie sie es jedem erklärte, den sie an diesem Tage sah. »Sie wird mich sprechen wollen, ich weiß es genau. Sagt ihr, ich möchte sie sehen, bitte. Wenn nicht die Königin, dann Prinz Joffrey, falls Ihr so freundlich wäret. Wir wollen heiraten, wenn wir älter sind.«
    In der Abenddämmerung des zweiten Tages wurde eine große Glocke geschlagen. Sie klang tief und tönte voll, und das lange, langsame Geläut erfüllte Sansa mit Furcht. Das Läuten ging immer weiter, und nach einer Weile hörten sie, wie andere Glocken in der Großen Septe von Baelor auf Visenyas Hügel antworteten. Wie Donner rumpelten sie über die Stadt und warnten vor einem kommenden Sturm.
    »Was ist los?«, fragte Jeyne und hielt sich die Ohren zu. »Wieso läuten sie die Glocken?«
    »Der König ist tot.« Sansa konnte nicht sagen, woher sie es wusste, und dennoch war sie dessen gewiss. Das langsame, endlose Läuten erfüllte ihre Kammer, traurig wie ein Klagelied. Hatte ein Feind die Burg erstürmt und König Robert ermordet? War das jener Kampf gewesen, den sie gehört hatten?
    Verwundert, rastlos und verängstigt schlief sie ein. War ihr hübscher Joffrey jetzt König? Oder hatten sie auch ihn gemeuchelt? Sie sorgte sich um ihn und ihren Vater. Wenn sie nur wüsste, was vor sich ging …
    In dieser Nacht träumte Sansa von Joffrey auf dem Thron und von sich selbst neben ihm, in einem Kleid aus gewebtem Gold. Sie trug eine Krone auf dem Kopf, und alle, die sie je gekannt hatte, traten vor sie, um auf die Knie zu fallen und ihr die Aufwartung zu machen.

    Am nächsten Morgen, dem Morgen des dritten Tages, erschien Ser Boros Blount von der Königsgarde, um sie zur Königin zu eskortieren.
    Ser Boros war ein hässlicher Mann mit breiter Brust und kurzen Säbelbeinen. Seine Nase war platt, seine Wangen hingen durch, sein Haar war grau und spröde. Heute trug er weißen Samt, und sein schneeweißer Umhang wurde von einer Löwenbrosche gehalten. Das Tier besaß den weichen Schimmer von Gold, und seine Augen waren winzige Rubine. »Prächtig und prunkvoll seht Ihr heute Morgen aus, Ser Boros«, erklärte Sansa. Eine Dame vergaß nie ihre Umgangsformen, und sie war entschlossen, eine Dame zu sein, komme, was wolle.
    »Ganz wie Ihr, Mylady«, sagte Ser Boros mit toter Stimme. »Ihre Majestät erwartet Euch. Folgt mir.«
    Draußen vor ihrer Tür standen Wachen, bewaffnete Männer der

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