Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
Lennisters mit roten Umhängen und Löwenhelmen. Sansa zwang sich, sie freundlich anzulächeln, und wünschte ihnen einen guten Morgen, während sie vorüberging. Es war das erste Mal, dass man sie aus ihrer Kammer ließ, seit Ser Arys Eichenherz sie vor zwei Tagen hergebracht hatte. »Damit du in Sicherheit bist, mein süßes Kind«, hatte Königin Cersei ihr erklärt. »Joffrey würde es mir nie verzeihen, wenn seiner Liebsten etwas zustieße.«
Sansa hatte erwartet, dass Ser Boros sie zu den königlichen Gemächern begleiten würde, doch stattdessen führte er sie aus Maegors Feste hinaus. Die Brücke war wieder unten. Arbeiter ließen einen Mann an Seilen in die Tiefen des trockenen Grabens hinab. Als Sansa hinunterblickte, sah sie eine Leiche, die am Grund auf den riesenhaften Eisenspitzen gepfählt war. Hastig wandte sie die Augen ab, fürchtete sich zu fragen, fürchtete sich, zu lange hinzusehen, fürchtete, es könne jemand sein, den sie kannte.
Sie fanden Königin Cersei in den Ratsgemächern, wo sie
am Kopfende eines langen Tisches voller Papiere, Kerzen und Blöcken Siegelwachs saß. Der Raum war prunkvoller als alles, was Sansa je gesehen hatte. Staunend starrte sie die Schnitzereien und die beiden Sphinxe an, die neben der Tür kauerten.
»Majestät«, grüßte Ser Boros, nachdem ein anderer Mann der Königsgarde, Ser Mandon mit dem seltsam toten Gesicht, sie hereingeschoben hatte. »Ich bringe das Mädchen. «
Sansa hatte gehofft, Joffrey wäre bei ihr. Statt ihres Prinzen waren nur drei Ratsherren des Königs anwesend. Lord Petyr Baelish saß linker Hand der Königin, Großmaester Pycelle am Ende des Tisches, während Lord Varys über ihnen thronte und nach Blumen roch. Sie alle waren schwarz gekleidet, wie sie ängstlich bemerkte. Trauerkleider …
Die Königin trug ein ebenfalls schwarzes Seidenkleid mit hohem Kragen und hundert dunkelroten Rubinen, die sie vom Hals bis zur Brust bedeckten. Sie waren in Tropfenform geschnitten und wirkten, als weinte die Königin Blut. Cersei lächelte sie an, als sie sie sah, und für Sansa war es das hübscheste und traurigste Lächeln, das sie je gesehen hatte. »Sansa, mein süßes Kind«, sagte sie, »ich weiß, du hast nach mir gerufen. Es tut mir leid, dass ich nicht früher nach dir schicken konnte. Die Lage war sehr unklar, und ich konnte keinen Augenblick erübrigen. Ich hoffe, meine Untergebenen haben gut für dich gesorgt?«
»Alle waren nett und freundlich, Majestät, danke der freundlichen Nachfrage«, erwiderte Sansa höflich. »Nur, na ja, niemand will uns verraten, was geschehen ist …«
»Uns?« Cersei schien überrascht.
»Wir haben das Mädchen des Haushofmeisters mit bei ihr untergebracht«, sagte Ser Boros. »Wir wussten nicht, was wir sonst mit ihr machen sollten.«
Die Königin legte die Stirn in Falten. »Beim nächsten Mal
werdet Ihr fragen«, sagte sie mit scharfer Stimme. »Allein die Götter wissen, mit welchen Geschichten sie Sansa beunruhigt hat.«
»Jeyne fürchtet sich«, sagte Sansa. »Sie hört gar nicht auf zu weinen. Ich habe ihr versprochen zu fragen, ob sie ihren Vater sehen darf.«
Der alte Großmaester Pycelle senkte den Blick.
»Ihrem Vater geht es doch gut, oder?«, fragte Sansa bange. Sie wusste, dass es Kämpfe gegeben hatte, doch einem Haushofmeister würde doch sicher niemand etwas zuleide tun. Vayon Pool trug nicht mal ein Schwert.
Königin Cersei blickte jeden der Ratsherren einzeln an. »Ich möchte nicht, dass sich Sansa solche Sorgen macht. Was sollen wir mit ihrer kleinen Freundin anfangen, Mylords? «
Lord Petyr beugte sich vor. »Ich werde einen Platz für sie suchen.«
»Nicht in der Stadt.«
»Haltet Ihr mich für einen Narren?«
Die Königin überging das. »Ser Boros, bringt das Mädchen in Lord Petyrs Gemächer, und weist seine Leute an, sich dort um sie zu kümmern, bis er sie holt. Sagt ihr, dass Kleinfinger kommt, um sie zu ihrem Vater zu bringen, das sollte sie beruhigen. Ich möchte, dass sie fort ist, wenn Sansa wieder in ihre Kammer zurückkehrt.«
»Wie Ihr wünscht, Majestät«, sagte Ser Boros. Er verneigte sich tief, machte auf dem Absatz kehrt und ging, wobei sein langer, weißer Umhang die Luft in seinem Rücken aufwirbelte.
Sansa war verdutzt. »Ich verstehe nicht«, sagte sie. »Wo ist denn Jeynes Vater? Wieso kann Ser Boros sie nicht an Stelle von Lord Petyr zu ihm bringen?« Sie hatte sich vorgenommen, ganz die Dame zu spielen, sanft wie die Königin und stark wie ihre
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