Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
»Sobald es sich erwärmt, fließt es besser, ähnlich wie Lampenöl.«
Unter den Pyromantikern hieß das Seefeuer die Substanz. Nun, untereinander redeten sie sich mit Weisheit an, und das ärgerte Tyrion fast ebenso sehr wie ihre Gewohnheit, beiläufig immenses geheimes Wissen anzudeuten, von dem er glauben sollte, dass sie es besaßen. Einst waren sie eine mächtige Gilde gewesen, in den letzten Jahrhunderten jedoch hatten die Maester aus der Citadel die Alchimisten fast überall verdrängt. Nun bestanden nur noch einige der älteren Orden, und sie behaupteten nicht länger, sie könnten unedles Metall in Gold verwandeln …
… doch sie konnten Seefeuer herstellen. »Wasser vermag es nicht zu löschen, hat man mir gesagt.«
»Das stimmt. Aus diesem Grund heißt es Seefeuer. Fängt die Substanz einmal Feuer, brennt sie, bis sie vergangen ist, selbst auf Wasser. Und darüber hinaus sickert sie in Stoff, Holz, Leder und sogar Stahl ein, sodass diese Materialien ebenfalls brennen.«
Tyrion erinnerte sich an den Roten Priester Thoros von Myr und sein flammendes Schwert. Schon eine dünne Schicht Seefeuer brannte eine Stunde lang. Thoros hatte nach dem Buhurt jedes Mal eine neue Waffe gebraucht, Robert jedoch hatte der Mann gefallen, und er hatte ihm immer wieder eine zur Verfügung gestellt. »Warum zieht es nicht in den Ton ein?«
»Oh, das tut es«, versicherte Hallyn. »Unter diesem Gewölbe
gibt es ein weiteres, in dem wir die alten Töpfe lagern. Sie stammen aus den Tagen von König Aerys. Es war seine Idee, die Gefäße in Form von Früchten zu gestalten. Höchst gefährliche Früchte, gewiss, Mylord Hand, und, hmmm, sie sind heute reifer denn je zuvor, wenn Ihr versteht, was ich meine. Wir haben sie mit Wachs versiegelt und das untere Gewölbe voll Wasser gepumpt, und trotzdem … eigentlich hätten sie längst zerstört werden müssen, doch da während der Plünderung von Königsmund so viele unserer Meister ermordet wurden, blieben nur einige Akolythen übrig, die mit dieser Aufgabe überfordert waren. Und vieles von den Vorräten, die wir für Aerys angelegt hatten, ging verloren. Erst letztes Jahr hat man in einem Lager unter der Großen Septe von Baelor zweihundert Gefäße entdeckt. Niemand konnte sich mehr an sie erinnern, und bestimmt könnt Ihr Euch vorstellen, wie erschrocken der Hohe Septon war. Ich selbst habe dafür gesorgt, dass man sie vorsichtig geborgen hat. Dazu ließ ich einen Karren mit Sand füllen und schickte unsere besten Akolythen los. Wir arbeiteten nur des Nachts …«
»Ihr habt zweifellos hervorragende Arbeit geleistet.« Tyrion stellte das Gefäß, das er in der Hand hielt, zu den anderen zurück. Sie bedeckten den ganzen Tisch und standen in ordentlichen Viererreihen, die sich in der unterirdischen Dunkelheit verloren. Überall sah er weitere Tische, viele Tische. »Diese Früchte des alten Königs Aerys, kann man sie noch benutzen?«
»Oh ja, gewiss … doch nur mit größter Vorsicht, Mylord, höchst behutsam. Je älter die Substanz wird, desto, hmmm, launischer , möchte ich sagen, wird sie. Jedes Flämmchen kann sie entzünden. Ein Funke genügt. Zu viel Hitze führt zur Selbstentzündung. Sie dem Sonnenlicht auszusetzen, auch nur für kurze Zeit, wäre sehr unklug. Einmal in Brand geraten, dehnt sich die Substanz stark aus, und das Gefäß zerplatzt. Falls dann andere Gefäße in der Nähe stehen, entzünden sie sich ebenfalls, und so …«
»Wie viele habt Ihr zur Zeit?«
»Heute Morgen berichtete Weisheit Munciter, insgesamt besäßen wir siebentausendachthundertundvierzig. Darin enthalten sind viertausend aus König Aerys’ Zeiten.«
»Unsere überreifen Früchte?«
Hallyn nickte heftig. »Weisheit Malliard glaubt, wir werden bald mit zehntausend Stück dienlich sein können, wie wir es der Königin versprochen haben. Ich stimme dem zu.« Der Pyromantiker wirkte unverschämt zufrieden bei dieser Aussicht.
Falls unsere Feinde Euch genug Zeit lassen. Die Pyromantiker hielten ihre Rezepte für Seefeuer geheim, aber Tyrion wusste, dass es in einem langwierigen, gefährlichen und zeitaufwändigen Verfahren gewonnen wurde. Er hatte die Zahl von zehntausend Stück für reine Prahlerei gehalten, etwa so, wie viele Vasallen schworen, zehntausend Krieger für den Lord in den Krieg zu führen, um schließlich am Tag der Schlacht mit einhundertundzwei aufs Feld zu marschieren. Sollte es ihnen gelingen, tatsächlich diese zehntausend Stück zu liefern …
Er wusste
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