Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
Fremden, Menschengeruch, in den sich Leder und Erde und Eisen mischten.
Die Eindringlinge waren erst einige Meter in den Hain getreten, als die Wölfe sie erreichten; ein Weibchen und ein junges Männchen, die keinerlei Anzeichen von Angst zeigten, selbst nicht, nachdem er seine weißen Zähne gefletscht hatte. Sein Bruder knurrte tief in der Kehle, und trotzdem liefen sie nicht davon.
»Da sind sie ja«, sagte das Weibchen. Meera, flüsterte ihm eine innere Stimme zu, die des schlafenden Jungen, der sich in diesen Traum verirrt hatte. »Wusstest du, dass sie so groß sind?«
»Sie werden noch größer, bevor sie ausgewachsen sind«, erklärte das junge Männchen und beobachtete sie mit großen grünen Augen, in denen sich keine Furcht zeigte. »Der Schwarze ist ängstlich und zornig, aber der Graue ist stark … stärker, als er denkt … fühlst du ihn, Schwester?«
»Nein«, sagte sie und legte die Hand auf das Heft des langen Messers, welches sie trug. »Sei vorsichtig, Jojen.«
»Er wird mir nichts tun. Heute ist nicht der Tag, an dem ich sterbe.« Das Männchen ging auf sie zu, streckte die Hand
nach seiner Schnauze aus und berührte sie sanft wie ein Sommerwind. Dennoch löste sich bei der Liebkosung der Wald um ihn auf, der Boden unter seinen Füßen wurde zu Rauch und wirbelte lachend davon, und dann drehte er sich und fiel, fiel, fiel …
CATELYN
Catelyn schlief inmitten des hügeligen Graslandes und träumte, dass Bran wieder gesund war, dass Arya und Sansa sich an den Händen hielten, dass Rickon noch als Säugling an ihrer Brust lag. Robb spielte ohne Krone auf dem Kopf mit einem Holzschwert, und nachdem endlich alle schliefen, fand sie Ned lächelnd in ihrem Bett vor.
Süß war der Traum, süß und viel zu rasch vorüber. Die Dämmerung nahte ohne Erbarmen, wie ein Dolch aus Licht. Einsam und erschöpft erwachte sie; erschöpft vom Ritt, erschöpft vom Schmerz, erschöpft von der Pflicht. Ich möchte weinen. Ich möchte Trost. So leid bin ich es, stark zu sein. Ich möchte einmal töricht sein und mich fürchten dürfen. Nur für eine Weile, das ist alles … einen Tag lang … eine Stunde …
Vor ihrem Zelt waren die Männer bereits wach. Sie hörte das Wiehern der Pferde, Shadd, der sich über seinen steifen Rücken beschwerte, Ser Wendel, der nach seinem Bogen verlangte. Catelyn wünschte, sie würden alle verschwinden. Gute Männer waren sie, treu dazu, und dennoch war sie ihrer Gegenwart müde. Sie sehnte sich nach ihren Kindern. Eines Tages, versprach sie sich, würde sie sich gestatten, weniger stark zu sein. Aber nicht heute.
Ihre Finger kamen ihr noch ungeschickter vor als gewöhnlich, während sie ihre Kleider anlegte. Eigentlich musste sie schon dankbar sein, dass sie ihre Hände überhaupt gebrauchen konnte, dachte sie. Der Dolch war aus valyrischem Stahl geschmiedet gewesen, und valyrischer Stahl schnitt tief. Man brauchte sich nur die Narben anzuschauen.
Draußen rührte Shadd Haferbrei in einem Kessel, derweil Ser Manderly dasaß und die Sehne seines Bogens spannte. »Mylady«, grüßte er, als Catelyn heraustrat. »Im Gras halten sich Vögel versteckt. Wäre Euch eine gegrillte Wachtel zum Frühstück recht?«
»Haferbrei und Brot werden genügen … für uns alle, denke ich. Wir haben noch viele Meilen vor uns, Ser Wendel.«
»Wie Ihr wünscht, Mylady.« Auf dem Mondgesicht des Ritters erschien der Ausdruck von Niedergeschlagenheit, die Spitzen seines großen Walrossschnurrbarts zuckten vor Enttäuschung. »Haferbrei und Brot, was könnte besser sein?« Er war einer der fettesten Männer, die Catelyn je kennengelernt hatte, doch wie sehr er gutes Essen auch genoss, seine Ehre war ihm wichtiger.
»Habe ein paar Nesseln gefunden und Tee gekocht«, verkündete Shadd. »Möchten Mylady einen Becher?«
»Ja, gern, danke.«
Sie hielt den Tee in den vernarbten Händen und blies darauf, um ihn abzukühlen. Shadd stammte aus Winterfell. Robb hatte ihr zwanzig seiner besten Männer mitgegeben, damit sie Renly sicher erreichte, und außerdem fünf Lords, deren Namen und hohe Geburt ihrer Mission mehr Gewicht und Ehre verleihen würden. Auf dem Weg nach Süden mieden sie Städte und Burgen, dennoch hatten sie bereits häufiger Banden von gepanzerten Kriegern gesehen und in der Ferne am östlichen Horizont Rauch entdeckt. Bislang hatte es allerdings niemand gewagt, sie zu belästigen. Sie waren zu wenige, um eine Bedrohung darzustellen, zu viele für eine leichte Beute. Nachdem sie
Weitere Kostenlose Bücher