Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
eine leichte Andeutung von Brüsten. Ein geflochtenes Netz hing von der einen Seite ihrer schmalen Taille, ein langes Bronzemesser von der anderen; unter den Arm hatte sie einen alten, angerosteten Eisenhelm geklemmt. Einen Froschspeer und einen runden Lederschild hatte sie auf den Rücken geschnallt.
Ihr Bruder war einige Jahre jünger und trug keine Waffen. Er war grün gekleidet bis hin zum Leder seiner Stiefel, und als er näher kam, fiel Bran auf, dass auch seine Augen moosgrün funkelten, wenngleich seine Zähne so weiß waren wie die jedes anderen. Beide Reets waren schmal gebaut, schlank
wie Schwerter und überragten Bran kaum. Sie beugten das Knie vor dem Podest.
»Meine Lords Stark«, sagte das Mädchen. »Jahre sind zu Hunderten und Tausenden ins Land gegangen, seit mein Volk dem König des Nordens zum ersten Mal die Treue schwor. Mein Hoher Vater schickt mich, um diese Worte für unser ganzes Volk zu wiederholen.«
Sie sieht mich an, erkannte Bran. Er musste antworten.
»Mein Bruder Robb kämpft im Süden«, erwiderte er, »doch könnt Ihr diese Worte auch mir sagen, wenn Ihr wollt.«
»Winterfell vertrauen wir Grauwasser an«, sprachen beide gemeinsam, »Herd und Herz und Herbsternte bieten wir Euch, Mylord. Euer sei der Befehl über unsere Schwerter und Speere und Pfeile. Lasst Gnade walten gegen unsere Schwachen, helft den Hilflosen und übt Gerechtigkeit allen gegenüber, und wir werden Euch stets die Treue halten.«
»Ich schwöre es bei Erde und Wasser«, sagte der Junge in Grün.
»Ich schwöre es bei Bronze und Eisen«, fügte seine Schwester hinzu.
»Wir schwören es bei Eis und Feuer«, endeten beide gemeinsam.
Bran suchte nach Worten. Musste er jetzt mit einem Schwur antworten? Diesen Eid hatte ihn niemand gelehrt. »Mögen Eure Winter kurz und Eure Sommer ertragreich sein«, sagte er. Für gewöhnlich war eine solche Floskel immer angebracht. »Erhebt Euch. Ich bin Brandon Stark.«
Das Mädchen stand auf und half ihrem Bruder hoch. Der Junge starrte Bran unentwegt an. »Wir überreichen Euch unsere Gaben: Fisch und Frösche und Geflügel.«
»Ich danke Euch.« Bran fragte sich, ob er um der Höflichkeit willen einen Frosch würde essen müssen. »Ich biete Euch das Fleisch und den Met von Winterfell.« Er versuchte sich daran zu erinnern, was man ihm über die Pfahlbaumenschen beigebracht hatte, die in den Sümpfen der Eng lebten und
ihre feuchte Heimat selten verließen. Sie waren ein armes Volk, Fischer und Froschjäger, die in Stroh- und Reethäusern auf schwimmenden Inseln wohnten. Es hieß, sie seien feige, kämpften mit vergifteten Waffen und versteckten sich lieber vor dem Feind, anstatt ihm offen entgegenzutreten. Und doch war Holand Reet während des Krieges um König Roberts Krone, der noch vor Brans Geburt stattgefunden hatte, einer der treuesten Gefährten seines Vaters gewesen.
Der Junge, Jojen, blickte sich neugierig in der Halle um, bevor er sich setzte. »Wo sind die Schattenwölfe?«
»Im Götterhain«, antwortete Rickon. »Struppi war böse.«
»Mein Bruder würde sie gern sehen«, sagte das Mädchen.
Der Kleine Walder warf laut ein: »Er sollte lieber aufpassen, dass sie ihn nicht sehen, sonst beißen sie ihn.«
»Sie beißen nicht, wenn ich dabei bin.« Bran gefiel es, dass sie die Wölfe sehen wollten. »Sommer sowieso nicht, und der wird Struppel schon in Schach halten.« Irgendwie war er neugierig auf diese Pfahlbauleute. Bisher war er noch keinem begegnet, wenn er sich recht erinnerte. Sein Vater hatte oft Briefe an den Lord von Grauwasser geschickt, zu einem Besuch in Winterfell war jedoch nie einer von ihnen erschienen. Gern hätte er sich weiter mit ihnen unterhalten, aber in der großen Halle war es zu laut, und deshalb konnte man jemanden, der ein wenig weiter entfernt saß, kaum verstehen.
Ser Rodrik hingegen saß gleich neben Bran. »Essen sie wirklich Frösche?«, fragte er den alten Ritter.
»Ja«, antwortete Ser Rodrik. »Frösche und Fische und Löwenechsen, dazu alle Arten von Vögeln.«
Vielleicht haben sie keine Schafe und Rinder. Bran befahl den Dienern, ihnen Hammelkoteletts und eine Scheibe Auerochs zu bringen. Das Essen schien ihnen zu munden. Das Mädchen erwischte ihn dabei, wie er sie anstarrte, und lächelte. Bran errötete und wandte den Blick ab.
Viel später, nachdem die Süßspeisen serviert und mit vielen Litern Sommerwein heruntergespült worden waren, wurde das Essen abgetragen, und man schob die Tische an die Wände, um
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