Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
bereits ohne Euer Zutun genug Lärm.« Er durchquerte den Raum und legte dem Jungen die Hand auf die Stirn. »Es ist schon spät, Ihr solltet längst schlafen.«
»Ich rede mit den Wölfen.« Bran schob die Hand zur Seite.
»Soll ich Heukopf bitten, Euch ins Bett zu tragen?«
»Ich komme ganz allein ins Bett.« Mikken hatte mehrere Eisenstangen in der Wand befestigt, und so konnte sich Bran mit den Armen durch das Zimmer hangeln. Zwar ging das nur langsam, und seine Schultern schmerzten jedes Mal von der Anstrengung, doch er hasste es, getragen zu werden. »Trotzdem brauche ich nicht zu schlafen, wenn ich nicht will.«
»Alle Menschen müssen schlafen, Bran. Auch Prinzen.«
»Wenn ich schlafe, verwandle ich mich in einen Wolf.« Bran wandte das Gesicht ab und blickte hinaus in die Nacht. »Träumen Wölfe?«
»Jedes Wesen träumt, glaube ich, doch vielleicht anders als Menschen.«
»Träumen tote Menschen?« fragte Bran, während er an seinen Vater dachte. In der dunklen Gruft unter Winterfell meißelte ein Steinmetz das Gesicht seines Vaters in Granit.
»Manche sagen ja, manche nein«, antwortete der Maester. »Die Toten selbst schweigen zu dieser Angelegenheit.«
»Träumen Bäume?«
»Bäume? Nein …«
»Doch«, entgegnete Bran, plötzlich sehr sicher. »Sie träumen Baumträume. Ich träume manchmal auch von einem Baum. Von einem Wehrholzbaum wie dem im Götterhain. Er ruft mich. Die Wolfsträume sind schöner. Ich rieche alles, und manchmal kann ich sogar Blut schmecken.«
Maester Luwin zupfte an seiner Kette, wo diese an seinem Hals scheuerte. »Wenn Ihr nur etwas mehr Zeit mit den anderen Kindern verbringen würdet…«
»Ich hasse die anderen Kinder«, erwiderte Bran und meinte damit die Walders. »Ich habe Euch befohlen, sie fortzuschicken. «
Luwin wurde ernst. »Die Freys sind die Mündel Eurer Hohen Mutter, die auf ihren ausdrücklichen Wunsch hergeschickt wurden. Ihr habt nicht das Recht, sie hinauszuwerfen, und anständig wäre es zudem auch nicht. Wohin sollten sie denn gehen?«
»Nach Hause. Nur ihretwegen darf ich nicht mit Sommer zusammen sein.«
»Der Freyjunge hat nicht darum gebeten, gebissen zu werden«, hielt der Maester ihm entgegen, »und ich auch nicht.«
»Das war Struppel.« Rickons großer schwarzer Wolf war so wild, dass er manchmal sogar Bran erschreckte. »Sommer hat niemanden gebissen.«
»Sommer hat in genau diesem Zimmer einem Mann die Kehle herausgerissen, oder habt Ihr das vielleicht vergessen? Um die Wahrheit auszusprechen, die süßen Welpen, die Ihr
und Eure Brüder im Schnee gefunden habt, sind zu gefährlichen Bestien herangewachsen. Die Freyjungen tun recht daran, sich vor ihnen zu hüten.«
»Wir sollten die Walders in den Götterhain verbannen. Dort können sie Lord vom Kreuzweg spielen, und Sommer könnte wieder bei mir schlafen. Wenn ich der Prinz bin, warum schenkt Ihr meinen Wünschen keine Beachtung? Ich wollte auf Tänzerin reiten, aber der dicke Bierbauch hat mich nicht durchs Tor gelassen.«
»Und vollkommen zu Recht. Der Wolfswald birgt unzählige Gefahren; das solltet Ihr doch bei Eurem letzten Ausritt gelernt haben. Wollt Ihr Euch von einem dahergelaufenen Gesetzlosen entführen und an die Lennisters verkaufen lassen? «
»Sommer würde mich retten«, beharrte Bran stur. »Prinzen sollte erlaubt sein, die Meere zu befahren und Wildschweine im Wolfswald zu jagen und mit Lanzen zu tjosten.«
»Bran, Kind, warum quält Ihr Euch so? Eines Tages werdet Ihr einiges davon tun, aber jetzt seid Ihr erst acht Jahre alt.«
»Ich wäre lieber ein Wolf. Dann könnte ich im Wald leben und schlafen, wann ich will, und ich könnte Arya und Sansa finden. Ich würde sie wittern und sie retten, und wenn Robb in die Schlacht zöge, würde ich an seiner Seite kämpfen wie Grauwind. Ich würde dem Königsmörder mit den bloßen Zähnen die Kehle herausreißen, ratsch , und dann wäre der Krieg zu Ende, und alle würden nach Winterfell zurückkehren. Wenn ich ein Wolf wäre …« Er heulte. »Uuuuu-uuuuuuuuuuuuuuu. «
Luwin hob die Stimme. »Ein richtiger Prinz würde sie willkommen heißen…«
»AAHUUUUUUUUUUU.« Bran heulte lauter. »UUUU-UUUU-UUUU. «
Der Maester gab auf. »Wie Ihr wünscht, Kind.« Mit einem Blick, in dem sich Kummer und Abscheu mischten, verließ er das Zimmer.
Nachdem Bran allein war, verlor das Heulen seinen Reiz. Einige Zeit später verstummte er. Ich habe sie willkommen geheißen , dachte er reumütig. Ich war der Lord von
Weitere Kostenlose Bücher