Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
gefeiert als alle übrigen. »Drachen«, sagte sie, hob den Kopf und schnüffelte. Sie war halb blind und konnte den Kometen nicht sehen, behauptete jedoch, ihn riechen zu können. »Das sind Drachen, Junge«, beharrte sie. Sie sprach ihn nicht mit Prinz an, sie nannte ihn Junge, so wie immer.
Hodor sagte nur: »Hodor.« Das sagte er immer.
Und die Schattenwölfe heulten. Die Wachen auf den Mauern fluchten leise vor sich hin, die Hunde in den Zwingern bellten wütend, Pferde wurden in den Ställen wild, die Walders zitterten am Feuer, und selbst Maester Luwin beschwerte sich darüber, dass er nachts nicht schlafen könne. Allein Bran machte es nichts aus. Ser Rodrik hatte die Wölfe in den Götterhain verbannt, nachdem Struppel den kleinen Walder gebissen hatte, aber die Steine der Burg schienen mit dem Geheul zu spielen, und so klang es gelegentlich, als hielten sie sich im Hof genau unter Brans Fenster auf. Dann wieder hätte er schwören mögen, sie patrouillierten auf den Mauern wie Wachen. Er wünschte, er könnte sie sehen.
Den Kometen konnte er jedenfalls sehen, wie er über der Halle der Gardisten und dem Glockenturm hing, und der breite, runde ursprüngliche Bergfried dahinter hob sich mit seinen schwarzen Wasserspeiern von der purpurfarbenen Dämmerung ab. Einst hatte Bran jeden Stein dieser Gebäude in- und auswendig gekannt; er war auf ihnen herumgeklettert und über die Mauer gehuscht, wie andere Jungen Treppen hinunterrennen. Ihre Dächer waren seine geheimsten Verstecke gewesen und die Krähen auf der Turmruine seine Freunde.
Und dann war er abgestürzt.
Bran erinnerte sich nicht an den Fall, aber man hatte es
ihm so erzählt, also musste es stimmen. Beinahe wäre er dabei gestorben. Als er die verwitterten Wasserspeier an der Turmruine sah, wo es geschehen war, wurde ihm flau im Magen. Jetzt konnte er nicht mehr klettern, nicht mehr rennen und nicht mehr fechten, und alle Träume von Ritterschaft hatten nur einen bitteren Geschmack hinterlassen.
Sommer hatte an dem Tag geheult, an dem Bran abstürzte, und hatte lange Zeit nicht aufgehört, während der Junge mit zerschmettertem Körper im Bett lag; das hatte Robb ihm erzählt, bevor er in den Krieg gezogen war. Sommer hatte um ihn getrauert, und Struppel und Grauwind hatten sich ihm angeschlossen. Und in der Nacht, in welcher der blutige Rabe die Nachricht vom Tod seines Vaters gebracht hatte, hatten sie auch darüber Bescheid gewusst. Bran war mit Rickon im Turm des Maesters gewesen, wo sie über die Kinder des Waldes sprachen, bis Sommer und Struppel Luwin mit ihrem Heulen übertönt hatten.
Um wen trauern sie jetzt? Hatte ein Feind den König des Nordens erschlagen, seinen Bruder Robb? War sein Bastardbruder Jon Schnee von der Mauer gefallen? Hatte seine Mutter oder eine seiner Schwestern den Tod gefunden? Oder hatte der Gesang eine andere Ursache, wie der Maester und der Septon und die Alte Nan glaubten?
Wenn ich ein richtiger Schattenwolf wäre, würde ich ihr Lied verstehen, dachte er wehmütig. In seinen Wolfsträumen rannte er über Berghänge und zerklüftete, schneebedeckte Gebirge, die höher, viel höher waren als jeder Turm, und stand am Ende auf dem Gipfel, so wie früher, während die Welt im Licht des Vollmonds unter ihm lag.
»Uuuuuuu«, schrie Bran versuchsweise. Er bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund und hob das Gesicht zum Kometen. »Uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu«, heulte er. Es klang albern, hoch und hohl und zitternd, wie das Heulen eines kleinen Jungen und nicht das eines Wolfes. Dennoch antwortete Sommer und übertönte Brans dünne Stimme mit
seiner tiefen, und Struppel fiel in den Chor ein. Bran stieß einen weiteren Ruf aus. So sangen sie gemeinsam, die Letzten ihres Rudels.
Auf den Lärm hin erschien eine Wache in der Tür, Heukopf, der mit dem Grützbeutel auf der Nase. Er spähte herein, entdeckte Bran, der aus dem Fenster heulte, und sagte: »Was gibt es, mein Prinz?«
Stets bemächtigte sich Bran ein eigentümliches Gefühl, wenn man ihn Prinz nannte, obwohl er tatsächlich Robbs Erbe war , und Robb war schließlich der König des Nordens. Er wandte den Kopf und heulte die Wache an: »Uuuuuuuuu, Uu-uu-uuuuuuuuuuuu.«
Heukopf verzog das Gesicht. »Hört gefälligst auf damit!« »Uuu-uuu-uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu, Uuu-uuu-uuuuuuuuuuuuuuuuuu. «
Der Mann verschwand. Er kehrte mit Maester Luwin zurück, der ganz in Grau gekleidet war und seine Kette eng um den Hals trug. »Bran, diese Tiere machen
Weitere Kostenlose Bücher