Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
um sich dorthin zu begeben, wo er und seine Brüder durch den Wald streiften.
Seinen Bruder roch er ebenfalls, diesen vertrauten, strengen und erdigen Duft, der so schwarz war wie sein Fell. Sein Bruder lief voller Wut an den Mauern entlang, immer und immer wieder im Kreis, Tag und Nacht und Nacht und Tag, unermüdlich auf der Suche nach … Beute, einem Ausweg,
seiner Mutter, seinen Geschwistern, seinem Rudel … so suchte und suchte er ohne Erfolg.
Hinter den Bäumen erhob sich, aufgeschichtet aus totem Menschenstein, die Mauer, die überall über dieses Fleckchen lebendigen Waldes aufragte. Grau stand sie da, moosüberzogen, und trotzdem dick und stark und höher, als je ein Wolf zu springen hoffen durfte. Kaltes Eisen und hartes Holz versperrten die einzigen Löcher in diesen Steinen, die ihn umgaben. An jedem Loch blieb sein Bruder stehen und fletschte die Zähne, doch blieb der Ausweg stets verschlossen.
In der ersten Nacht hatte er das Gleiche getan, bis er die Sinnlosigkeit dieses Tuns begriff. Ein Knurren machte hier keinen Weg frei. Im Kreis zu laufen drängte die Mauern nicht zurück. Das Bein zu heben und die Bäume zu markieren vertrieb die Menschen nicht. Die Welt hatte sich wie eine Schlinge um ihn zusammengezogen, aber jenseits des Waldes standen noch immer die großen grauen Höhlen aus Menschensteinen. Winterfell , ging ihm plötzlich ein Menschenlaut durch den Kopf. Von jenseits dieser himmelhohen Menschenklippen rief die wahre Welt nach ihm, und er wusste, entweder antwortete er oder er würde sterben.
ARYA
Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang waren sie unterwegs; es ging an Wäldern, Obsthainen und bestellten Feldern vorbei, auf die gelegentlich kleine Dörfer, dicht bevölkerte Marktflecken oder gedrungene Festungsbauten folgten. Bei Einbruch der Dunkelheit schlugen sie das Lager auf und aßen im Licht des Roten Schwertes. Die Männer wechselten sich mit der Wache ab. Durch die Bäume sah Arya die Lagerfeuer anderer Reisender glimmen. Jede Nacht schienen es mehr geworden zu sein, jeden Tag nahm der Verkehr auf dem Königsweg zu.
Morgens, mittags und abends kamen weitere hinzu, alte Leute und kleine Kinder, große Kerle, schmächtige, barfüßige Mädchen und Frauen mit Säuglingen an der Brust. Manche fuhren auf bäuerlichen Wagen, andere holperten in Ochsenkarren dahin. Viele ritten auf Zugpferden, Ponys, Maultieren, Eseln, auf einfach allem, was sich zum Reiten nutzen ließ. Eine Frau führte eine Milchkuh, auf deren Rücken ein kleines Mädchen saß. Arya sah einen Schmied, der eine Schubkarre mit seinen Werkzeugen – Hämmer und Zangen und sogar ein Amboss – vor sich her schob, und kurze Zeit später bemerkte sie einen anderen Mann, ebenfalls mit einer Schubkarre, in der zwei Säuglinge in Decken gewickelt schliefen. Die meisten jedoch gingen zu Fuß, trugen ihr Hab und Gut auf den Schultern und in den Gesichtern müde, misstrauische Mienen. Sie zogen nach Süden auf die Stadt zu, nach Königsmund, und nur einer von hundert hatte ein knappes Wort für Yoren und seine Truppe übrig, die
nach Norden wanderten. Sie fragte sich, weshalb niemand in ihre Richtung unterwegs war.
Viele der Reisenden waren bewaffnet; neben Dolchen und Messern, Sensen und Äxten entdeckte Arya hier und dort auch ein Schwert. Einige hatten sich aus dicken Ästen Keulen gemacht oder knorrige Stöcke geschnitzt. Sie packten ihre Waffen fest und warfen den Wagen gierige Blicke zu, während sie vorbeirollten, doch am Ende ließen sie die Kolonne passieren. Dreißig waren zu viele, ganz gleich, was sie auch in den Wagen befördern mochten.
Sieh mit deinen Augen , hatte Syrio sie gelehrt, höre mit deinen Ohren .
Eines Tages erhob eine verrückte Frau am Straßenrand ein fürchterliches Geschrei. »Narren! Sie werden euch umbringen, Narren!« Sie war mager wie eine Vogelscheuche, ihre Augen lagen tief in den Höhlen, und die Füße hatte sie sich blutig gelaufen.
Am nächsten Morgen zügelte ein wohl genährter Händler seine graue Stute neben Yoren und bot ihm an, die Wagen für ein Viertel ihres Wertes zu kaufen. »Es herrscht Krieg, und sie nehmen Euch ab, was sie wollen, daher solltet Ihr sie besser mir verkaufen, mein Freund.« Yoren wandte sich mit einer Drehung der krummen Schultern ab und spuckte aus.
Das war der Tag, an dem Arya das erste Grab bemerkte, ein kleiner Hügel neben der Straße, offensichtlich für ein Kind. In die aufgeworfene Erde hatte man einen Kristall gedrückt, den Lommy
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