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Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)

Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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roch?
    Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden hinter der Gabelspitze. Dämmerung breitete sich im Klagenden Pass aus. Fast augenblicklich schien es kälter zu werden. Der Weg stieg nicht länger an, sondern führte leicht abwärts. Er war übersät mit Spalten und zerbrochenen Felsen und Geröllhaufen. Bald wird es dunkel sein, und noch immer ist Geist nicht in Sicht. Es zerriss Jon innerlich, dennoch wagte er nicht, nach dem Schattenwolf zu rufen, obwohl er es gern getan hätte. Andere Wesen würden ihn vielleicht ebenfalls hören.
    »Qhorin«, rief Knappe Dalbrück mit gesenkter Stimme. »Dort. Seht.«
    Der Adler hockte auf einem Stein weit über ihnen, und gegen den dämmerigen Himmel waren nur seine Umrisse zu erkennen. Wir haben doch schon mehrere Adler gesehen, dachte Jon. Das muss nicht der sein, von dem ich geträumt habe.
    Trotzdem wollte Ebben einen Pfeil nach ihm abschießen, der Knappe hielt ihn jedoch zurück. »Der Vogel ist außer Schussweite.«
    »Es gefällt mir nicht, wie er uns beobachtet.«
    Der Knappe zuckte mit den Schultern. »Mir auch nicht, aber hindern kannst du ihn nicht daran. Du verschwendest nur einen Pfeil.«

    Qhorin saß im Sattel und betrachtete den Adler eine Weile lang. »Wir ziehen weiter«, sagte er schließlich. Die Grenzer setzten den Abstieg fort.
    Geist, hätte Jon am liebsten geschrien, wo bist du?
    Er wollte gerade Qhorin und den anderen folgen, da erblickte er etwas Weißes zwischen zwei Felsen. Ein alter Schneehaufen, dachte er, bis es sich bewegte. Sofort war er aus dem Sattel. Als er auf die Knie ging, hob Geist den Kopf. Sein Nacken glänzte feucht, doch der Wolf gab keinen Laut von sich, als Jon einen Handschuh auszog und die Wunde untersuchte. Die Krallen hatten Fell und Fleisch aufgerissen, doch dem Vogel war es nicht gelungen, das Genick zu brechen.
    Qhorin Halbhand stand plötzlich neben ihm. »Wie schlimm ist es?«
    Als wolle er antworten, kämpfte sich Geist mühsam auf die Beine.
    »Der Wolf ist stark«, sagte der Grenzer. »Ebben, Wasser. Steinschlange, gib mir den Weinschlauch. Halt ihn still, Jon.«
    Gemeinsam wuschen sie das angetrocknete Blut aus dem Pelz des Schattenwolfs. Geist strampelte und fletschte die Zähne, als Qhorin den Wein in die roten Wunden goss, die der Adler hinterlassen hatte, doch Jon legte die Arme um seinen Leib, flüsterte ihm tröstende Worte zu, und der Wolf beruhigte sich rasch. Nachdem sie einen Streifen von Jons Mantel abgerissen und die Verletzung damit verbunden hatten, war es vollständig dunkel. Nur anhand der Sterne konnte man den schwarzen Himmel vom schwarzen Fels unterscheiden. »Ziehen wir weiter?«, wollte Steinschlange wissen.
    Qhorin ging zu seinem Pferd. »Zurück, nicht weiter.«
    »Zurück?«, fragte Jon überrascht.
    »Adler haben schärfere Augen als Menschen. Wir sind entdeckt worden, deshalb fliehen wir jetzt.« Halbhand band sich einen langen schwarzen Schal vors Gesicht und schwang sich aufs Pferd.

    Die Grenzer wechselten einen Blick, doch keiner widersprach. Einer nach dem anderen wendeten sie ihre Tiere in Richtung Heimat. »Geist, komm«, rief Jon, und der Schattenwolf folgte ihnen wie ein heller Schatten, der durch die Nacht glitt.
    Die ganze Nacht lang ritten sie durch den gewundenen Pass. Der Wind nahm zu. Manchmal war es so dunkel, dass sie abstiegen, zu Fuß weitergingen und ihre Pferde am Zügel führten. Einmal schlug Ebben vor, Fackeln anzuzünden, doch Qhorin sagte nur: »Kein Feuer«, und damit war die Sache erledigt. Sie erreichten die Steinbrücke am höchsten Punkt, und dann begann erneut der Abstieg. In der Dunkelheit schrie eine wütende Schattenkatze, deren Stimme von den Felswänden widerhallte, sodass es klang, als würden andere Katzen ihr antworten. Einmal glaubte Jon, auf einem Vorsprung über ihnen zwei Augen leuchten zu sehen, so groß wie Erntemonde.
    In der schwarzen Stunde vor der Morgendämmerung hielten sie an, tränkten die Pferde und fütterten sie mit einer Hand voll Hafer und ein wenig Heu. »Wir sind nicht mehr weit von dem Platz entfernt, wo die Wildlinge gestorben sind«, verkündete Qhorin. »Dort kann ein Mann Hunderte abwehren. Der richtige Mann jedenfalls.« Er blickte den Knappen Dalbrück an.
    Der Knappe neigte den Kopf. »Lasst mir so viele Pfeile da, wie ihr entbehren könnt, Brüder.« Er streichelte seinen Langbogen. »Und gebt meinem Pferd einen Apfel, wenn ihr daheim angekommen seid. Den hat es sich verdient, das arme Tier.«
    Er bleibt hier, um zu sterben,

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