Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
ihr. Er bat sie, sich bäuchlings auf die Matratze zu legen, während er Salbe auf die hässlichen roten Striemen strich, die die Rückseite ihrer Beine bedeckten. Danach goss er ihr einen Becher Traumwein ein, den er mit Honig mischte, damit er angenehmer schmeckte. »Schlaft ein wenig, Kind. Wenn Ihr erwacht, erscheint Euch das alles wie ein böser Traum.«
Nein, bestimmt nicht, du dummer Mann. Trotzdem trank sie den Traumwein und schlief.
Es war dunkel, als sie erwachte und nicht recht wusste, wo sie sich befand. Das Zimmer erschien ihr gleichzeitig vertraut und fremd. Beim Aufstehen verspürte sie einen stechenden Schmerz in den Beinen, und damit kehrte auch die Erinnerung zurück. Tränen stiegen ihr in die Augen. Jemand hatte einen Morgenmantel für sie neben das Bett gelegt. Sansa schlüpfte hinein und öffnete die Tür. Draußen stand eine Frau mit hartem Gesicht, lederartiger brauner Haut und drei Ketten um den hageren Hals. Eine war aus Gold und eine aus Silber gefertigt, die letzte bestand aus menschlichen Ohren. »Was glaubt sie, wo sie hingehen will?«, fragte die Frau und lehnte sich auf ihren langen Speer.
»In den Götterhain.« Sie musste Ser Dontos finden und ihn bitten, sie jetzt nach Hause zu bringen, ehe es zu spät war.
»Das Halbmann sagt, du sollst nicht fortgehen«, erwiderte die Frau. »Bete hier, die Götter werden dir schon zuhören.«
Widerstandslos senkte Sansa den Blick und ging in das Zimmer zurück. Plötzlich begriff sie, weshalb dieser Ort ihr
so vertraut war. Sie haben mich in Aryas altes Zimmer gesteckt. Hier hat Arya gewohnt, als Vater noch die Hand des Königs war. Alle ihre Sachen sind nicht mehr da, und die Möbel haben sie auch umgestellt, aber es ist dasselbe Zimmer …
Kurze Zeit später brachte ihr ein Dienstmädchen einen Teller mit Käse, Brot und Oliven sowie einen Krug kaltes Wasser. »Nimm es wieder mit«, forderte Sansa es auf, doch das Mädchen ließ das Essen auf dem Tisch stehen. Dann bemerkte Sansa, dass sie tatsächlich durstig war. Jeder Schritt fühlte sich an, als würden ihr Dolche in die Schenkel gebohrt, doch sie zwang sich, das Zimmer zu durchqueren. Sie trank zwei Becher Wasser und knabberte an einer Olive. Es klopfte.
Erschrocken fuhr sie zur Tür herum und strich die Falten ihrer Robe glatt. »Ja?«
Die Tür öffnete sich, und Tyrion Lennister trat ein. »Mylady. Ich hoffe, ich störe Euch nicht?«
»Bin ich Eure Gefangene?«
»Mein Gast.« Er trug seine Amtskette, die aus miteinander verbundenen goldenen Händen bestand. »Ich dachte, vielleicht könnten wir uns ein wenig unterhalten.«
»Wie Mylord befiehlt.« Sansa fiel es schwer, ihn nicht anzustarren; sein Gesicht war so hässlich, dass es sie mit eigentümlicher Faszination anzog.
»Waren Kleidung und Essen nach Eurem Geschmack?«, fragte er. »Falls es Euch an irgendetwas mangelt, so sagt es nur.«
»Ihr seid zu freundlich. Und heute Morgen … es war sehr edel von Euch, mir zu helfen.«
»Ihr habt ein Recht zu erfahren, warum Joffrey so wütend war.« Der Zwerg stemmte sich auf den Sitzplatz in der Fensterbank und machte es sich bequem. »Vor sechs Nächten hat Euer Bruder meinen Onkel Steffert überfallen, der mit seinem Heer nahe bei einem Dorf namens Ochsenfurt lagerte, keine drei Tage von Casterlystein entfernt. Eure Nordmannen
haben einen triumphalen Sieg davongetragen. Erst heute Morgen ist die Nachricht eingetroffen.«
Robb wird euch alle umbringen, dachte sie frohlockend. »Das ist … schrecklich, Mylord. Mein Bruder ist ein gemeiner Verräter. «
Der Zwerg lächelte schwach. »Nun, er ist jedenfalls kein Speichellecker, so viel hat er deutlich gemacht.«
»Ser Lancel sagte, Robb hätte eine Armee von Wargen geführt …«
Der Gnom lachte verächtlich. »Ser Lancel ist ein Krieger, der am tapfersten mit dem Weinschlauch ringt, der kann einen Warg nicht von einer Warze unterscheiden. Euer Bruder hatte seinen Schattenwolf bei sich, aber das war vermutlich auch schon alles. Die Nordmannen haben sich ins Lager meines Onkels geschlichen und die Leinen der Pferde durchgeschnitten, woraufhin Lord Stark seinen Wolf zwischen sie gehetzt hat. Sogar die schlachterprobten Streitrosse sind wild geworden. Ritter wurden in ihren Pavillons zu Tode getrampelt, und der Pöbel erwachte und hat die Waffen beiseitegeworfen, damit er schneller rennen konnte. Ser Steffert wurde getötet, während er hinter seinem Pferd herlief. Lord Rickard Karstark hat ihm mit einer Lanze die Brust
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