Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
wallendes grünes Seidenkleid angelegt, welches eine Brust freiließ, silberne Sandalen angezogen und einen Gürtel aus schwarzen und weißen Perlen um ihre Taille geschlungen. So, wie sie mir geholfen haben, hätte ich auch nackt vor sie treten können. Vielleicht hätte ich das tun sollen. Sie nahm einen tiefen Schluck.
Die Reingeborenen waren Abkömmlinge der alten Könige und Königinnen von Qarth; sie befehligten die Bürgergarde und die Flotte der reich verzierten Galeeren, welche die Wasserstraßen zwischen den Meeren beherrschten. Daenerys Targaryen hatte diese Flotte gewollt, oder zumindest einen Teil davon, und außerdem einige Soldaten aus Qarth. Sie hatte das traditionelle Opfer im Tempel der Erinnerung dargebracht, hatte dem Hüter der Langen Liste das traditionelle Bestechungsgeld überreicht, hatte dem Öffner der Tür die traditionelle Persimone geschickt und hatte dafür am Ende die traditionellen blauen Seidenpantoffeln erhalten, die sie in die Halle der Tausend Throne riefen.
Die Reingeborenen hörten sich ihre Bitten an und saßen derweil in den großen Holzstühlen ihrer Vorfahren auf den riesigen Marmorstufen, die vom Boden bis zur mit Bildern von Qarths Ruhm vergangener Zeiten bemalten Kuppeldecke reichten. Die Stühle waren riesig und mit fantastischen Schnitzereien verziert, glänzten von Blattgold und waren mit Bernstein, Onyx, Lapislazuli und Jade besetzt. Ein jeder unterschied sich von den anderen, und einer war prächtiger als der vorherige. Dennoch wirkten die Männer darin so lustlos und der Welt müde, dass sie fast den Eindruck erweckten, als schliefen sie.
Sie haben zugehört, aber sie haben nichts aufgenommen, oder sie scheren sich nicht um mich, dachte sie. Sie sind wirklich Milchmenschen. Eigentlich wollten sie mir gar nicht helfen. Sie sind nur
aus reiner Neugier gekommen. Weil sie sich langweilten und weil der Drache auf meiner Schulter sie mehr interessierte als ich.
»Sagt mir die Worte der Reingeborenen«, sagte Xaro Xhoan Daxos wie aufs Stichwort. »Sagt mir, was sie sprachen, um die Königin meines Herzens so traurig zu stimmen.«
»Sie haben Nein gesagt.« Der Wein schmeckte nach Granatäpfeln und heißen Sommertagen. »Sie haben es voller Höflichkeit gesagt, aber trotz der vielen lieblichen Worte war es noch immer ein Nein.«
»Habt Ihr ihnen geschmeichelt?«
»Auf schamlose Weise.«
»Habt Ihr geweint?«
»Das Blut des Drachen weint nicht«, antwortete sie gereizt.
Xaro seufzte. »Ihr hättet weinen sollen.« Den Qartheen kamen die Tränen häufig und rasch; man betrachtete dies als Zeichen von Zivilisation. »Die Männer, die wir gekauft haben, was haben sie gesagt?«
»Mathos nichts, Wendello hat meine Rede gelobt. Der Auserlesene hat sich mir zusammen mit den anderen verweigert, hat jedoch anschließend geweint.«
»Ach, dass die Qartheen so treulos sein können.« Xaro selbst gehörte nicht zu den Reingeborenen, doch er hatte ihr erklärt, wem sie Bestechungsgeld zukommen lassen sollte, und in welcher Höhe. »Weint, weint, über die Untreue der Menschen.«
Dany hätte lieber um ihr Gold geweint. Mit den Geschenken für Mathos Mallarawan, Wendello Qar Deeth und Egon Emeros den Auserlesenen hätte sie ein Schiff kaufen oder eine große Zahl Söldner anheuern können. »Sollte ich nicht Ser Jorah schicken und die Geschenke zurückfordern?«, fragte sie.
»Ich fürchte, dann käme ein Betrübter Mann des Nachts in meinen Palast und würde Euch im Schlaf töten«, sagte Xaro. Die Betrübten Männer waren eine uralte, heilige Gilde von
Assassinen, die ihren Namen trugen, weil sie stets flüsterten: »Es betrübt mich sehr«, während sie ihre Opfer töteten. Höflichkeit ging den Qartheen über alles. »Ein weises Sprichwort sagt: Es ist einfacher, die Steinkuh von Faros zu melken, als Gold aus einem Reingeborenen zu quetschen.«
Dany wusste nicht, wo Faros sich befand, Qarth dagegen schien voller Steinkühe zu sein. Die Handelsherren, die durch den Handel zwischen den Meeren unglaublich reich geworden waren, wurden in drei einander eifersüchtig beäugende Fraktionen eingeteilt: die Alte Gilde der Gewürzhändler, die Turmalinbruderschaft und die Dreizehn, zu denen auch Xaro gehörte. Jede wetteiferte mit den anderen um die Vorherrschaft, und alle drei lagen mit den Reingeborenen in nie enden wollendem Streit. Dazu kamen noch die Hexenmeister mit ihren blauen Lippen und entsetzlichen Kräften; die Hexenmeister zeigten sich zwar selten, wurden jedoch umso
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