Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
Wiesen ist kein so steinharter Sturkopf wie ich.«
»Stur oder feige, was für einen Unterschied macht das? Ser Cortnay Fünfrosen erschien mir gesund und munter.«
»Das galt auch für meinen Bruder, noch einen Tag vor seinem Tod. Die Nacht ist dunkel und voller Schrecken, Davos.«
Davos Seewert spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. »Mylord, ich verstehe nicht recht.«
»Das ist auch nicht notwendig. Ich brauche nur Eure Dienste. Ser Cortnay wird vor dem morgigen Tage tot sein. Melisandre hat es in den Flammen der Zukunft gesehen. Seinen Tod, und auf welche Weise es geschehen wird. Und bestimmt wird Fünfrosen nicht in ritterlichem Kampf sterben.« Stannis hielt seinen Becher hoch, und Devan füllte ihn aus dem Krug. »Ihre Flammen lügen nicht. Sie hat Renlys Verhängnis ebenfalls vorhergesehen. Schon auf Drachenstein, und sie hat es Selyse erzählt. Lord Velaryon und Euer Freund Salladhor Saan wollten lieber gegen Joffrey vorgehen, aber Melisandre sagte mir, in Sturmkap würde ich den besten Teil der Streitmacht meines Bruder erringen, und sie hatte Recht.«
»A-aber«, stotterte Davos. »Lord Renly kam nur hierher, weil Ihr die Burg belagert habt. Er hatte die Absicht, nach Königsmund zu marschieren, gegen die Lennisters, und er hätte …«
Stannis richtete sich auf und runzelte die Stirn. »Hätte, wollte, was bedeutet das schon? Er hat getan, was er getan hat. Mit Bannern und Pfirsichen kam er her, und sein Schicksal hat ihn ereilt … und es gereichte mir zum Heil. Melisandre hatte in ihren Flammen noch einen anderen Tag gesehen. Einen Morgen, an dem Renly in seiner grünen Rüstung von Süden her geritten kam, um mein Heer vor den Mauern von Königsmund zu zermalmen. Wäre ich dort auf meinen Bruder getroffen, wäre ich an seiner Stelle gestorben.«
»Oder Ihr hättet Euch mit ihm verbündet und gemeinsam die Lennisters besiegt«, protestierte Davos. »Warum nicht? Wenn sie zwei Möglichkeiten für die Zukunft gesehen hat, nun … beide können nicht wahr sein.«
König Stannis hob den Zeigefinger. »Hier irrt Ihr, Zwiebelritter. Manche Lichter werfen mehr als nur einen Schatten. Stellt Euch vor das Nachtfeuer und seht es Euch selbst an. Die Flammen flackern und tanzen und ruhen niemals. Die Schatten werden groß und kleiner, und jeder Mensch scheint ein Dutzend davon zu werfen. Manche sind blasser als andere, das ist alles. Nun, auch in die Zukunft werfen Menschen Schatten. Einen Schatten oder viele. Melisandre kann sie alle sehen.
Ihr mögt die Frau nicht. Ich weiß es, Davos, ich bin nicht blind. Meine Lords können sie ebenfalls nicht ausstehen. Estermont hält das flammende Herz für eine schlechte Wahl und bittet darum, unter dem alten gekrönten Hirsch kämpfen zu dürfen. Ser Guyard sagt, mein Bannerträger sollte keine Frau sein. Andere tuscheln, dass sie nichts in meinem Kriegsrat zu suchen habe, dass ich sie nach Asshai zurückschicken sollte, dass es sündig sei, sie über Nacht in meinem Zelt zu behalten. Gut, das wird getuschelt … und währenddessen dient sie mir.«
»Und wie?«, fragte Davos und fürchtete die Antwort.
»Wie es notwendig ist.« Der König blickte ihn an. »Und Ihr?«
»Ich …« Davos fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich stehe unter Eurem Befehl. Was wünscht Ihr von mir?«
»Nichts, was Ihr nicht schon früher getan hättet. Landet im Schutz der Dunkelheit ungesehen mit einem Boot unter der Burg an. Könnt Ihr das?«
»Ja. Heute Nacht?«
Der König nickte knapp. »Ihr werdet ein kleines Boot benötigen. Nicht die Schwarze Betha. Niemand darf wissen, was Ihr tut.«
Davos wollte widersprechen. Er war jetzt ein Ritter, kein Schmuggler mehr, und ein Meuchelmörder war er nie gewesen. Doch als er den Mund öffnete, wollten ihm die Worte nicht über die Lippen gehen. Hier stand Stannis, sein gerechter Herr, dem er alles verdankte, was er war. Und er musste auch an seine Söhne denken. Bei den guten Göttern, was hat sie mit ihm gemacht?
»Ihr seid so still?«, bemerkte Stannis.
Und das sollte ich auch bleiben, sagte sich Davos und sagte stattdessen: »Mein Lehnsherr, Ihr müsst die Burg einnehmen, das sehe ich wohl ein, aber gewiss gibt es andere Möglichkeiten. Anständigere Möglichkeiten. Mag Ser Cortnay den Bastardjungen behalten, dann ergibt er sich.«
»Ich muss den Jungen bekommen, Davos. Ich muss. Denn Melisandre hat ihn ebenfalls in den Flammen gesehen.«
Davos suchte nach einer Antwort. »In Sturmkap finden sich keine
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