Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
anderen leicht fertig werden.«
»Sagt Ser Jaslyn, falls es notwendig wird, jemanden zu töten, möchte ich nicht, dass Tommen dabei zusehen muss.« Tyrion zog seinen schweren Mantel aus dunkelbrauner Wolle an. »Mein Neffe hat ein weiches Herz.«
»Seid Ihr sicher, dass er ein Lennister ist?«
»Ich bin mir nur zweier Dinge sicher: Der Winter wird kommen und die Schlacht«, antwortete er. »Los. Ich reite ein Stück mit dir.«
»Zu Chataya?«
»Du kennst mich zu gut.«
Sie verließen die Burg durch ein Seitentor in der Nordmauer. Tyrion trieb sein Pferd die Schattengasse entlang. Der laute Hufschlag ließ einige verstohlene Gestalten in den Gässchen verschwinden, doch niemand wagte es, ihn anzusprechen. Der Rat hatte die Ausgangssperre verlängert; es war bei Todesstrafe verboten, sich auf den Straßen blicken zu lassen, nachdem die Abendglocken geläutet hatten. Diese Maßnahme hatte den Frieden in Königsmund zum Teil wiederhergestellt, und morgens wurden nur noch ein Viertel so viele Leichen wie gewöhnlich gefunden, und doch behauptete
Varys, die Menschen würden ihn dafür verfluchen. Sie sollten dankbar sein, dass sie noch Luft zum Fluchen haben. Zwei Goldröcke traten ihnen entgegen, als sie den Kupferschmiedweg entlangritten, doch nachdem sie begriffen, wen sie vor sich hatten, baten sie die Hand um Verzeihung und winkten sie durch. Bronn wandte sich nach Süden zum Schlammtor, und so trennten sich ihre Wege hier.
Tyrion ritt weiter zu Chataya, doch plötzlich verließ ihn die Geduld. Er drehte sich im Sattel um und suchte die Straße hinter sich ab. Anzeichen von Verfolgern waren nicht zu sehen. Alle Fenster waren dunkel oder mit Fensterläden verschlossen. Er hörte nur den Wind, der durch die Straßen fegte. Wenn mir Cersei heute Nacht jemanden hinterhergeschickt hat, muss der als Ratte getarnt sein. »Ach, was soll’s«, murmelte er. Er hatte die übermäßige Vorsicht satt. Also riss er sein Pferd herum und gab ihm die Sporen. Wenn jemand hinter mir ist, wollen wir doch mal sehen, wie gut er reiten kann. Er flog durch die mondhellen Straßen, klapperte über das Pflaster, huschte schmale Gässchen hinunter und gewundene Wege wieder hinauf; er galoppierte zu seiner Liebsten.
Als er an das Tor pochte, hörte er leise Musik über die stachelbewehrte Mauer hinweg. Einer der Männer aus Ibben ließ ihn ein. Tyrion gab dem Mann das Pferd. »Wer ist das?« Die rautenförmigen Scheiben der Fenster der großen Halle leuchteten gelb, und er hörte einen Mann singen.
Der Mann aus Ibben zuckte die Achseln. »Irgendein Sänger mit dickem Bauch.«
Die Musik wurde lauter, während Tyrion vom Stall zum Haus ging. Er hatte sich nie viel aus Sängern gemacht, und diesen mochte er auf Anhieb noch weniger als den Rest der Brut, obwohl er ihn noch nicht einmal gesehen hatte. Er stieß die Tür auf, und der Mann unterbrach seinen Vortrag. »Mylord Hand.« Der Sänger, glatzköpfig und fassbäuchig, kniete und murmelte: »Welche Ehre, welche Ehre.«
»M’lord.« Shae lächelte ihn an. Ihm gefiel dieses Lächeln,
diese Art, wie es ihr hübsches Gesicht ohne nachzudenken einnahm. Das Mädchen trug ihr purpurnes Seidengewand, das sie mit einer Silbertuchschärpe zusammenhielt. Die Farben betonten ihr dunkles Haar und den sanften Cremeton ihrer Haut.
»Liebling«, nannte er sie. »Und wer mag das sein?«
Der Sänger hob den Blick. »Man nennt mich Symon Silberzunge, Mylord. Ich bin Musikant, Sänger, Geschichtenerzähler …«
»Und ein großer Narr«, beendete Tyrion den Satz. »Wie habt Ihr mich genannt, als ich eingetreten bin?«
»Genannt? Ich habe nur…« Das Silber in Symons Zunge schien sich in Blei verwandelt zu haben. »Mylord Hand, sagte ich, welche Ehre …«
»Ein weiserer Mann hätte vorgegeben, mich nicht zu erkennen. Nicht, dass ich darauf hereingefallen wäre, aber Ihr hättet es wenigstens versuchen sollen. Was soll ich nun mit Euch anstellen? Ihr wisst über meine süße Shae Bescheid, Ihr wisst, wo sie wohnt und dass ich sie des Nachts allein besuche.«
»Ich schwöre, keine Menschenseele wird davon erfahren …«
»Darüber könnten wir uns einig werden. Gute Nacht.« Tyrion führte Shae die Treppe hinauf.
»Mein Sänger wird niemals wieder singen«, stichelte sie. »Ihr habt ihn so erschreckt, dass er die Stimme verloren hat.«
»Ein bisschen Angst wird ihm helfen, die hohen Noten zu treffen.«
Sie schloss die Tür zu ihrem Schlafzimmer. »Ihr werdet ihm doch kein Leid zufügen?«,
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