Das Lied von Eis und Feuer 05 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 05 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (1)
des Gemachs zurück und setzte sich zu ihrem Vater.
Catelyn hätte nicht zu sagen vermocht, ob Lord Hoster ihre Anwesenheit bemerkte oder nicht, oder ob sie ihm irgendwelche Erleichterung brachte, immerhin tröstete es sie jedoch selbst, bei ihm zu sein. Was würdet Ihr sagen, wenn Ihr um mein Verbrechen wüsstet, Vater?, fragte sie sich. Hättet Ihr das Gleiche getan, wenn Lysa und ich uns in den Händen Eurer Feinde befunden hätten? Oder würdet Ihr mich ebenfalls verurteilen und es den Wahnsinn einer Mutter nennen?
Im Zimmer hing der Geruch des Todes; ein schwerer Geruch, süß, faulig und eindringlich. Er erinnerte sie an die Söhne, die sie verloren hatte, ihren süßen Bran und den kleinen Rickon, die durch die Hand von Theon Graufreud gestorben waren, den Ned als Mündel aufgezogen hatte. Noch immer
trauerte sie um Ned, würde immer um ihn trauern, doch dass man ihr die Kinder ebenfalls geraubt hatte ... »Ein Kind zu verlieren ist unglaublich grausam«, flüsterte sie leise, eher an sich selbst denn an ihren Vater gerichtet.
Lord Hoster schlug die Augen auf. »Alraune«, hauchte er mit heiserer, schmerzerfüllter Stimme.
Er erkennt mich nicht. Catelyn hatte sich daran gewöhnt, dass er sie mit ihrer Mutter oder ihrer Schwester Lysa verwechselte, den Namen Alraune hingegen kannte sie nicht. »Ich bin’s, Catelyn«, sagte sie, »Cat, Vater.«
»Vergib mir ... das Blut ... oh, bitte ... Alraune ...«
Hatte es im Leben ihres Vaters eine andere Frau gegeben? Ein Dorfmädchen, das er in seiner Jugend verführt und im Stich gelassen hatte, vielleicht? Hat er nach Mutters Tod Trost in den Armen irgendeiner Magd gesucht? Der Gedanke war sonderbar und beunruhigend. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als würde sie ihren Vater überhaupt nicht kennen. »Wer ist Alraune, Mylord? Soll ich nach ihr schicken, Vater? Wo könnte ich diese Frau finden? Lebt sie noch?«
Lord Hoster stöhnte. »Tot.« Seine Hände griffen nach den ihren. »Du wirst andere bekommen ... süße Kindlein, rechtmäßige Kinder.«
Andere?, dachte Catelyn. Hat er vergessen, dass Ned tot ist? Spricht er weiterhin mit Alraune, oder redet er jetzt mit mir oder Lysa oder Mutter?
Als er hustete, spuckte er blutigen Auswurf. Er umklammerte ihre Finger. »... sei ein gutes Eheweib, und die Götter werden dich segnen ... mit Söhnen ... rechtmäßigen Söhnen ... aaahhh.« In einem plötzlichen Schmerzanfall verkrampfte sich Lord Hosters Hand. Seine Fingernägel bohrten sich in Catelyns Haut, und er stieß einen erstickten Schrei aus.
Maester Vyman eilte herbei, mischte Mohnblumensaft und half seinem Lord, ihn zu schlucken. Kurz darauf war Lord Hoster Tully wieder in tiefen Schlaf gefallen.
»Er hat nach einer Frau gefragt«, sagte Cat. »Alraune.«
»Alraune?« Der Maester blickte sie verdutzt an.
»Kennt Ihr jemanden dieses Namens? Eine Magd vielleicht oder eine Frau aus einem Dorf in der Gegend? Möglicherweise aus der Vergangenheit?« Catelyn hatte Schnellwasser vor sehr langer Zeit verlassen.
»Nein, Mylady. Ich kann jedoch Nachforschungen anstellen, wenn Ihr wünscht. Utherydes Wayn kennt sie gewiss, wenn diese Person jemals auf Schnellwasser gedient hat. Alraune, sagtet Ihr? Beim einfachen Volk werden Töchter häufig nach Blumen und Kräutern benannt.« Der Maester zog eine nachdenkliche Miene. »Es gab da einmal eine Witwe, jetzt erinnere ich mich, die kam öfter in die Burg und bot ihre Dienste als Schuhflickerin an. Ihr Name war Alraune, jetzt, wo ich darüber nachdenke. Oder Anemone? So ähnlich jedenfalls. Aber sie war seit vielen Jahren nicht mehr hier...«
»Ihr Name war Veilchen«, sagte Catelyn, die sich sehr gut an die alte Frau erinnerte.
»Ach ja?« Der Maester schaute sie entschuldigend an. »Verzeiht mir, Lady Catelyn, aber ich sollte nicht bleiben. Ser Desmond hat verfügt, dass wir nur mit Euch sprechen dürfen, wenn es unsere Pflichten erfordern.«
»Dann tut, wie Euch befohlen wurde.« Catelyn konnte Ser Desmond deswegen keinen Vorwurf machen; sie hatte ihm wenig Anlass gegeben, ihr zu vertrauen, und ohne Zweifel fürchtete er, dass sie die Treue, die ein großer Teil der Bewohner Schnellwassers der Tochter ihres Lords noch immer entgegenbrachte, ausnutzte, um weiteres Unheil anzurichten. Wenigstens bin ich vom Krieg befreit, redete sie sich ein, wenn auch nur für eine Weile.
Nachdem der Maester gegangen war, legte sie einen Wollmantel an und trat abermals hinaus auf den Balkon. Auf den Flüssen glänzte das
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