Das Lied von Eis und Feuer 05 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 05 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (1)
Blick jedoch, wenn sie seinen Körper betrachtete, konnte er nicht ertragen. Tyrion hatte Sansa befohlen, ebenfalls ein Nachthemd zu tragen. Ich begehre sie, wurde ihm bewusst. Ich will Winterfell, ja, aber sie begehre ich genauso, ob nun das Kind oder die Frau oder was immer sie ist. Ich möchte sie trösten. Ich möchte sie lachen hören. Sie soll aus eigenem Antrieb zu mir kommen, mir ihre Freude, ihre Sorgen und ihre Lust zeigen . Sein Mund verzog sich zu einem bitteren Lächeln. Ja, und ich will so groß sein wie Jaime und so stark wie Ser Gregor der Reitende Berg, was immer mir das verdammt noch mal helfen soll .
Ungebeten schweiften seine Gedanken zu Shae ab. Tyrion hatte nicht gewollt, dass sie die Neuigkeit aus einem anderen Mund als dem seinen erfuhr, und daher hatte er Varys befohlen, sie in der Nacht vor seiner Hochzeit zu ihm zu bringen. Wieder trafen sie sich in den Räumen des Eunuchen, und als Shae begann, die Schnüre seines Wamses zu öffnen, hatte er sie an den Handgelenken gepackt und sie zurückgestoßen. »Warte«, sagte er, »du musst etwas wissen. Morgen werde ich verheiratet, und zwar ... «
»... mit Sansa Stark. Ich weiß.«
Einen Augenblick lang war er sprachlos. Nicht einmal Sansa wusste es, noch nicht. »Woher weißt du das? Hat Varys es dir erzählt?«
»Irgendein Page hat es Ser Tallad berichtet, als ich Lollys zur Septe gebracht habe. Er hatte es von einem Dienstmädchen, das ein Gespräch zwischen Ser Kevan und Eurem Vater belauscht hat.« Sie befreite sich aus seinem Griff und zog sich das Kleid über den Kopf. Darunter war sie wie immer nackt. »Es ist mir egal. Sie ist nur ein kleines Mädchen. Ihr macht ihr einen dicken Bauch und kommt zu mir zurück.«
Ein Teil von ihm hatte auf weniger Gleichgültigkeit gehofft. Hatte gehofft, hohnlächelte er verbittert, aber du weißt es doch besser, Zwerg. Shae ist die einzige große Liebe, die du in deinem Leben jemals haben wirst.
Der Schlammweg war dicht bevölkert, aber Soldaten und Stadtvolk machten dem Gnom und seiner Eskorte Platz. Hohläugige Kinder liefen vor ihren Füßen herum, manche schauten in stummem Flehen zu ihm auf, derweil andere laut bettelten. Tyrion zog eine große Hand voll Kupferstücke aus seinem Geldbeutel und warf sie in die Luft, woraufhin die Kinder sich darauf stürzten und einander zur Seite stießen und anschrien. Die Glücklicheren konnten sich heute Abend vermutlich einen Kanten altes Brot kaufen. Noch nie hatte er die Märkte so überfüllt gesehen, und trotz all der Lebensmittel, die die Tyrells heranschafften, blieben die Preise entsetzlich hoch. Sechs Kupferstücke für eine Melone, einen Silberhirschen für einen Scheffel Getreide, einen Drachen für eine Rinderseite oder sechs magere Ferkel. Dennoch bestand offenbar kein Mangel an Käufern. Verhärmte Männer und ausgezehrte Frauen sammelten sich um jeden Wagen und Stand, während andere, die sogar noch schäbiger aussahen, verdrießlich aus den kleinen Gassen zuschauten.
»Hier entlang«, sagte Bronn, als sie den unteren Teil des Hakens erreichten. »Wenn Ihr noch immer wollt ...?«
»Ja.« Das Flussufer bot eine hervorragende Ausrede, aber Tyrion hatte heute ein anderes Ziel. Diese Aufgabe genoss er zwar nicht, doch sie musste erledigt werden. Sie wandten sich von Aegons Hohem Hügel ab und bogen in das Labyrinth kleinerer Straßen ein, die sich um den Fuß von Visenyas Hügel drängten. Bronn ritt voran. Ein- oder zweimal schaute Tyrion über die Schulter zurück und überprüfte, ob sie verfolgt wurden, doch außer dem gewöhnlichen Pöbel war nichts zu sehen: Ein Fuhrmann schlug sein Pferd, eine alte Frau leerte ihren Nachttopf aus dem Fenster, zwei kleine Jungen kämpften mit Stöcken, drei Goldröcke führten einen Gefangenen ab ... alles wirkte harmlos, und trotzdem konnte jeder von ihnen sein Verderben bedeuten. Varys hatte seine Spione überall.
Sie bogen um eine Ecke und dann um die nächste und ritten
langsam durch eine Traube von Frauen an einem Brunnen hindurch. Bronn führte ihn eine geschwungene Gasse entlang, durch eine weitere Gasse und einen halb eingestürzten Gewölbegang. Sie durchquerten den Schutt, wo ein Haus gebrannt hatte, und ließen die Pferde eine kurze Steintreppe hinauftraben. Die Gebäude wurden ärmlich und drängten sich eng aneinander. Bronn hielt schließlich am Eingang zu einer gewundenen Gasse an, die zu eng war, um nebeneinander zu reiten. »Es gibt zwei Abzweigungen, dann wird sie zur Sackgasse. Die
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