Das Lied von Eis und Feuer 05 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 05 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (1)
»Qhorin war mein Feind. Und doch einst auch mein Bruder. Also ... soll ich mich bei dir bedanken, weil du ihn getötet hast, Jon Schnee? Oder dich verfluchen?« Er lächelte Jon höhnisch an.
Der König-jenseits-der-Mauer sah kein bisschen wie ein König aus, nicht einmal richtig wie ein Wildling. Er war schlank, von mittlerer Größe, hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht mit klugen braunen Augen und langes braunes Haar, das bereits zum größten Teil ergraut war. Er trug keine Krone
auf dem Kopf, keine Goldringe an den Armen, keine Edelsteine um den Hals, nicht einmal etwas Silber glänzte an ihm. Er war in Wolle und Leder gekleidet; der zerschlissene schwarze Mantel, der mit verblichenen roten Seidenstücken geflickt war, war das einzig Auffällige an ihm.
»Eigentlich solltet Ihr mir danken, weil ich Euren Feind getötet habe«, erwiderte Jon schließlich. »Und mich verfluchen, weil er gleichzeitig Euer Freund war.«
»Haha!«, lachte der Weißbärtige dröhnend. »Gut gesprochen! «
»Gewiss.« Manke Rayder winkte Jon zu sich heran. »Wenn du dich uns anschließen willst, solltest du uns lieber kennen lernen. Der Mann, den du für mich gehalten hast, ist Styr, Magnar von Thenn. Magnar heißt ›Herr‹ in der Alten Sprache. « Der Ohrlose starrte Jon kalt an, derweil sich Manke dem Weißbärtigen zuwandte. »Unser wilder Hühnerfresser hier ist mein treuer Tormund. Die Frau ... «
Tormund stand auf. »Halt ein. Du hast Styr so vorgestellt, wie er es möchte, also gewähre auch mir diese Gunst.«
Manke Rayder lachte. »Wie du willst. Jon Schnee, vor dir steht Tormund Riesentod, Großsprecher, Hornbläser, Brecher der Eises, und außerdem Tormund Donnerfaust, Bärengemahl, Metkönig der Rötlichen Halle, Sprecher zu Göttern und Vater von Heerscharen.«
»Das klingt schon viel mehr nach mir«, sagte Tormund. »Willkommen, Jon Schnee. Ich mag zufällig Warge, wenn auch keine Starks.«
»Die gute Frau an der Kohlenpfanne«, fuhr Manke fort, »ist Dalla.« Die Schwangere lächelte schüchtern. »Behandele sie wie eine Königin, sie geht mit meinem Kind.« Er wandte sich den beiden Übrigen zu. »Diese Schönheit dort ist ihre Schwester Val. Und der junge Jarl neben ihr ist ihr neuestes Schoßhündchen.«
»Ich bin keines Mannes Schoßhündchen«, entgegnete Jarl düster und aufbrausend.
»Val ist ja auch kein Mann«, schnaubte der weißbärtige Tormund. »Das hätte dir eigentlich längst auffallen sollen, Junge.«
»Das wären wir also, Jon Schnee«, sagte Manke Rayder. »Der König-jenseits-der-Mauer und sein Hofstaat. Und jetzt würde ich gern etwas von dir hören. Wo kommst du her?«
»Von Winterfell«, erklärte er, »über die Schwarze Festung.«
»Und was führt dich so weit von den heimatlichen Feuern fort zum Milchwasser?« Er wartete Jons Antwort nicht ab, sondern schaute sofort Rasselhemd an. »Wie viele waren sie?«
»Fünf. Drei, die tot sind, und der Junge hier. Der andere ist einen Berghang hinaufgestiegen, wo ihm kein Pferd folgen konnte.«
Rayder richtete den Blick wieder auf Jon. »Wart ihr nur zu fünft? Oder schleichen noch mehr Brüder in der Gegend hier herum?«
»Vier und Halbhand. Qhorin war zwanzig gewöhnliche Männer wert.«
Der König-jenseits-der-Mauer lächelte. »Das hat so mancher gedacht. Dennoch ... ein Junge aus der Schwarzen Festung mit Grenzern vom Schattenturm? Wie kommt das?«
Jon hatte sich bereits eine Lüge zurechtgelegt. »Der Lord Kommandant hat mich zu Halbhand geschickt, damit ich etwas lerne, und daher nahm der mich mit auf seine Patrouille. «
Styr der Magnar runzelte die Stirn. »Patrouille nennst du das ... Weshalb sollten die Krähen am Klagenden Pass patrouillieren? «
»Die Dörfer waren verlassen«, sagte Jon, ganz der Wahrheit entsprechend. »Das ganze freie Volk schien verschwunden zu sein.«
»Verschwunden, ja«, gab Manke Rayder zurück. »Und nicht nur das freie Volk. Wer hat euch verraten, wo wir stecken, Jon Schnee?«
Tormund schnaubte. »Das war bestimmt Craster, oder ich will ein schüchternes Mädchen sein. Hab ich es dir nicht gesagt, Manke, diese Kreatur gehört einen Kopf kürzer gemacht. «
Der König warf dem Älteren einen gereizten Blick zu. »Tormund, eines Tages solltest du mal versuchen, erst zu denken und dann zu reden. Natürlich weiß ich, dass es Craster war. Ich habe Jon nur gefragt, um zu sehen, ob er die Wahrheit sagt.«
»Ha!« Tormund spuckte aus. »Nun, ich bin drauf reingefallen! « Er grinste Jon an.
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