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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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finsteres Gesicht. »Du bist hässlicher als ich. Wenigstens habe ich keine Ohren wie eine Fledermaus.«
    »Vielen Dank euch allen«, wandte sich der dicke Junge feierlich an die Runde.
    »Warum bist du nicht aufgestanden und hast gekämpft?«, wollte Grenn wissen.
    »Ich wollte es, ehrlich. Aber ich … ich konnte nicht. Ich wollte nicht, dass er mich weiter schlägt.« Er sah zu Boden. »Ich … ich fürchte, ich bin ein Feigling. Das sagt mein Hoher Vater immer.«
    Grenn war wie vom Donner gerührt. Selbst Pyp wusste dazu nichts zu sagen, und Pyp mangelte es sonst nie an Worten. Welcher Mann würde sich selbst einen Feigling nennen?
    Samwell Tarly schien ihnen anzusehen, was sie dachten. Er sah, dass Jon ihn musterte, und sein Blick wich ihm aus, schnell wie ein verschrecktes Tier. »Es … es tut mir leid«, sagte er. »Ich will nicht … sein, wie ich bin.« Schwerfällig ging er zur Waffenkammer.
    Jon rief ihm nach. »Du warst verletzt«, sagte er. »Morgen bist du besser.«
    Traurig blickte Sam über seine Schulter. »Nein, bin ich nicht«, erwiderte er und zwinkerte eine Träne fort. »Ich werde nie besser.«
    Als er gegangen war, sah Grenn sich fragend um. »Niemand mag Memmen«, sagte er beklommen. »Ich wünschte, wir hätten ihm nicht geholfen. Was ist, wenn sie uns auch für Memmen halten?«
    »Du bist zu dumm, um eine Memme zu sein«, erklärte Pyp.
    »Bin ich nicht«, widersprach Grenn.

    »Bist du doch. Wenn dich im Wald ein Bär angreifen würde, wärst du zu dumm, um wegzulaufen.«
    »Wäre ich nicht«, beharrte Grenn. »Ich würde schneller weglaufen als du.« Plötzlich hielt er inne, zog ein finsteres Gesicht, als er Pyps Grinsen sah und merkte, was er eben gesagt hatte. Sein dicker Hals wurde gleich puterrot. Jon ließ sie im Streit zurück und ging in die Waffenkammer, hängte sein Schwert auf und legte seine arg mitgenommene Rüstung ab.
    Das Leben auf der Schwarzen Festung folgte einem strengen Plan. Die Vormittage gehörten dem Schwertkampf, die Nachmittage der Arbeit. Die schwarzen Brüder teilten den neuen Rekruten viele verschiedene Aufgaben zu, um herauszufinden, wo ihre Talente lagen. Jon genoss die seltenen Nachmittage, an denen man ihn mit Geist an seiner Seite aussandte, um Wild für den Tisch des Lord Kommandant zu erlegen, doch für jeden Tag, den er mit der Jagd zubrachte, gab es ein Dutzend bei Donal Noye in der Waffenkammer, wo er den Wetzstein drehte, während der einarmige Schmied Äxte schärfte, die vom Gebrauch stumpf geworden waren, oder den Blasebalg pumpte, wenn Noye ein neues Schwert hämmerte. Dann wieder überbrachte er Nachrichten, ging Wache, mistete die Ställe aus, befiederte Pfeile, half Maester Aemon mit seinen Vögeln oder Bowen Marsh mit seinen Rechnungen und Inventuren.
    An diesem Nachmittag schickte ihn der Wachhabende mit vier Fässern von frisch zerkleinertem Stein zum Windenkäfig, damit er den Kies auf den eisigen Wegen oben auf der Mauer verstreute. Es war eine einsame und langweilige Arbeit, selbst mit Geist an seiner Seite, doch machte es Jon nichts aus. An klaren Tagen konnte man von der Mauer aus die halbe Welt sehen, und die Luft war stets kalt und erfrischend. Hier konnte er nachdenken, und er merkte, dass er über Samwell Tarly nachdachte … und seltsamerweise über Tyrion Lennister. Er überlegte, welchen Reim sich Tyrion auf diesen dicken Jungen gemacht hätte. Die meisten Menschen
würden eine schwere Wahrheit eher leugnen, als sich ihr zu stellen, hatte der Zwerg ihm grinsend erklärt. Die Welt war voller Memmen, die vorgaben, Helden zu sein. Es war schon eine verquere Art von Mut nötig, um seine Feigheit einzugestehen, so wie Samwell Tarly es getan hatte.
    Mit seiner verletzten Schulter ging die Arbeit nur langsam voran. Es war schon spät am Nachmittag, als Jon allen Kies auf den Wegen verstreut hatte. Er blieb noch oben, um sich anzusehen, wie die Sonne unterging und den Himmel im Westen blutfarben werden ließ. Schließlich, als die Dämmerung über dem Norden niedersank, rollte Jon die leeren Fässer wieder zum Käfig und gab den Männern an der Winde das Zeichen, ihn hinunterzulassen.
    Das abendliche Mahl war fast schon vorüber, als er mit Geist den Speisesaal betrat. Eine Gruppe von schwarzen Brüdern würfelte beim Glühwein am Feuer. Seine Freunde saßen auf einer Bank nahe der westlichen Mauer und lachten. Pyp war mitten in einer Geschichte. Der Komödiantensohn mit den großen Ohren war ein geborener Lügner mit hundert

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