Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
endet.«
»Doch wenn das, was Ihr sagt, wahr ist, werden sie nur den rechten Augenblick abwarten und den nächsten Versuch wagen.«
»Das werden sie allerdings«, sagte Varys, »und eher früher als später, wie ich fürchte. Ihr macht denen große Angst, Lord Eddard. Doch meine kleinen Vögel werden lauschen, und gemeinsam könnten wir ihnen zuvorkommen, Ihr und ich.« Er erhob sich und setzte seine Kapuze auf, dass sein Gesicht erneut verborgen war. »Danke für den Wein. Wir sprechen später weiter. Wenn Ihr mich beim nächsten Mal im Rat seht, achtet darauf, dass Ihr mich mit der üblichen Verachtung straft. Es sollte Euch nicht schwerfallen.«
Er war schon an der Tür, als Ned rief: »Varys. « Der Eunuch drehte sich um. »Woran ist Jon Arryn gestorben?«
»Ich habe mich schon gefragt, wann Ihr wohl darauf kommen würdet.«
»Sagt es mir.«
»Die Tränen von Lys, so nennt man es. Eine seltene und kostspielige Sache, klar und süß wie Wasser, und es hinterlässt keinerlei Spuren. Ich habe Jon Arryn bekniet, einen Vorkoster zu nehmen, in ebendiesem Zimmer habe ich ihn bekniet, doch davon wollte er nichts hören. Nur jemand, der kein echter Mann sei, würde so etwas auch nur in Erwägung ziehen, erklärte er.«
Ned musste auch den Rest wissen. »Wer hat ihm das Gift verabreicht?«
»Zweifellos ein guter, lieber Freund, der oft Met und Speisen mit ihm teilte. Oh, aber welcher? Davon gibt es so viele. Lord Arryn war ein herzensguter, vertrauensvoller Mann.« Der Eunuch seufzte. »Da war ein Junge. Alles, was er war, verdankte er Jon Arryn, doch als die Witwe mit ihrem Haushalt auf die Ehr floh, blieb er in Königsmund und gedieh. Stets freut es mein Herz, wenn ich sehe, dass die Jungen in der Welt zu Ehren kommen.« Der schneidende Unterton war wieder in seiner Stimme, jedes Wort ein Hieb. »Er muss im Turnier eine stattliche Figur abgegeben haben, mit seiner schimmernden, neuen Rüstung und diesen Halbmonden auf seinem Umhang. Schade, dass er so früh sterben musste, noch bevor Ihr mit ihm sprechen konntet …«
Ned fühlte sich selbst schon halb vergiftet. »Der Knappe«, sagte er. »Ser Hugh.« Rädchen im Rädchen im Rädchen. In Neds Kopf hämmerte es. »Warum? Warum jetzt? Seit vierzehn Jahren war Jon Arryn die Rechte Hand. Was hat er getan, dass man ihn vergiften musste?«
»Er hat Fragen gestellt«, erwiderte Varys und schob sich zur Tür hinaus.
TYRION
Während er kurz vor dem Morgengrauen da so in der Kälte stand und sah, wie Chiggen sein Pferd schlachtete, dachte Tyrion Lennister an die Schuld, die er eines Tages bei den Starks einklagen würde. Dampf stieg aus dem Inneren des Kadavers auf, als der stämmige Söldner den Bauch mit seinem Messer öffnete. Er arbeitete mit flinken Händen, vergeudete keinen Schnitt. Die Arbeit musste schnell getan sein, bevor der Blutgestank die Schattenkatzen aus den Bergen lockte.
»Heute Abend muss keiner von uns hungern«, sagte Bronn. Er war selbst fast nur ein Schatten, knochendürr und knochenhart, mit schwarzen Augen und schwarzem Haar und einem Stoppelbart.
»Ein paar von uns vielleicht doch«, erklärte Tyrion. »Ich esse nicht gern Pferdefleisch. Besonders nicht das Fleisch von meinem Pferd.«
»Fleisch ist Fleisch«, sagte Bronn achselzuckend. »Die Dothraki mögen Pferd lieber als Rind oder Schwein.«
»Haltet Ihr mich etwa für einen Dothraki?«, fragte Tyrion mürrisch. Die Dothraki aßen Pferde, das stimmte. Außerdem überließen sie missgebildete Kinder den wilden Hunden, die ihren Khalasars folgten. Für die Sitten der Dothraki konnte er sich nicht gerade begeistern.
Chiggen schnitt einen schmalen Streifen blutigen Fleisches von dem Kadaver und hielt ihn prüfend in die Luft. »Willst du kosten, Zwerg?«
»Mein Bruder Jaime hat mir die Stute zu meinem dreiundzwanzigsten Geburtstag geschenkt«, erwiderte Tyrion mit ausdrucksloser Stimme.
»Dann danke ihm in unser aller Namen. Falls du ihn je wiedersiehst.« Chiggen grinste, zeigte seine gelben Zähne und schluckte das rohe Fleisch mit zwei Bissen. »Schmeckt reinrassig.«
»Besser noch, wenn man es mit Zwiebeln brät«, warf Bronn ein.
Wortlos hinkte Tyrion davon. Die Kälte saß ihm tief in den Knochen, und seine Beine waren so überanstrengt, dass er kaum laufen konnte. Vielleicht hatte seine tote Stute im Grunde Glück. Er hatte noch Stunden zu reiten, worauf es einige Mund voll Essen und einen kurzen Schlaf auf hartem, kaltem Boden gäbe und dann noch eine ebensolche Nacht und
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