Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
war Eddard Stark hoffnungsfroher, als er es seit langer Zeit gewesen war. Robert war bester Laune, die Lennisters nirgendwo zu sehen, und selbst seine Töchter wussten sich zu benehmen. Jory brachte Arya mit, und Sansa sprach mit ihr auf freundliche Weise. »Das Turnier war herrlich«, seufzte sie. »Du hättest kommen sollen. Wie war deine Tanzstunde?«
»Mir tut alles weh«, vermeldete Arya glücklich und führte stolz einen riesigen blauen Fleck am Bein vor.
»Du musst eine schreckliche Tänzerin sein«, sagte Sansa zweifelnd.
Später, als Sansa fort war, um einer Gruppe von Sängern zu lauschen, welche den komplexen Rundgesang von ineinander verwobenen Balladen mit dem Titel »Drachentanz« aufführten, untersuchte Ned die Prellung selbst. »Ich hoffe, Forel ist nicht allzu hart mit dir«, sagte er.
Arya stand auf einem Bein. Das beherrschte sie in letzter Zeit immer besser. »Syrio sagt, jeder Schmerz sei eine Lektion, und jede Lektion mache einen nur besser.«
Ned runzelte die Stirn. Dieser Syrio Forel war mit einem ausgezeichneten Ruf gekommen, und sein auffälliger Stil aus Braavos entsprach sehr gut Aryas schlanker Klinge, aber dennoch … vor einigen Tagen war sie herumgelaufen und hatte sich die Augen mit einem Fetzen schwarzer Seide verbunden. Syrio lehrte sie, mit den Ohren und der Nase und der Haut zu sehen, wie sie ihm erläuterte. Davor ließ er sie Pirouetten und Rückwärtssalto üben. »Arya, bist du dir sicher, dass du damit weitermachen willst?«
Sie nickte. »Morgen gehen wir Katzen fangen.«
»Katzen.« Ned seufzte. »Vielleicht war es ein Fehler, diesen Braavosi einzustellen. Wenn du möchtest, will ich Jory bitten, deinen Unterricht zu übernehmen. Oder vielleicht spreche ich ein stilles Wort mit Ser Barristan. In seiner Jugend war er der beste Krieger in den Sieben Königslanden.«
»Die will ich nicht«, erwiderte Arya. »Ich will Syrio.«
Ned fuhr mit den Fingern durch sein Haar. Jeder mittelmäßige Soldat konnte Arya die Grundlagen des Stechens und Hauens vermitteln, und zwar ohne diesen Unsinn mit Augenbinden, Radschlagen und Hüpfen auf einem Bein, doch kannte er seine jüngste Tochter gut genug, um zu wissen, dass mit diesem sturen, hervorspringenden Kinn nicht zu reden war. »Wie du möchtest«, sagte er. Sicher würde sie dessen bald müde sein. »Nur eins: sei vorsichtig.«
»Das will ich«, versprach sie feierlich, während sie mit fließenden Bewegungen von einem Bein aufs andere hüpfte.
Viel später, nachdem er die Mädchen durch die Stadt zurückgeleitet und beide sicher ins Bett gebracht hatte, Sansa mit ihren Träumen und Arya mit ihren blauen Flecken, stieg Ned zu seinen eigenen Gemächern oben im Turm der Hand hinauf. Der Tag war warm gewesen, und im Zimmer war es stickig. Ned trat ans Fenster und öffnete die schweren Läden, um die kühle Nachtluft einzulassen. Auf der anderen Seite
des Großen Hofes fiel ihm der flackernde Schein von Kerzenlicht in Kleinfingers Fenster auf. Es war schon weit nach Mitternacht. Unten am Fluss klangen die Festlichkeiten und der Lärm erst langsam aus.
Er nahm den Dolch hervor und betrachtete ihn. Kleinfingers Klinge, von Tyrion Lennister bei einer Turnierwette gewonnen, ausgesandt, um Bran im Schlaf zu töten. Warum? Warum sollte sich der Zwerg Brans Tod wünschen? Warum sollte sich irgendwer Brans Tod wünschen?
Der Dolch, Brans Sturz, das alles war irgendwie mit dem Mord an Jon Arryn verbunden, das fühlte er in seiner Magengrube, doch die Wahrheit über Jons Tod war ihm noch ebenso schleierhaft wie zu Beginn seiner Nachforschungen. Lord Stannis war nicht zum Turnier nach Königsmund zurückgekehrt. Lysa Arryn schwieg hinter den hohen Mauern der Ehr. Der Knappe war tot, und Jory suchte nach wie vor die Hurenhäuser ab. Was hatte er – abgesehen vom Bastard des Königs – schon in der Hand?
Dass der mürrische Lehrling des Waffenschmieds ein Sohn des Königs war, daran zweifelte Ned nicht. Das Aussehen der Baratheons war ihm ins Gesicht gestanzt, sein Kinn, seine Augen, das schwarze Haar. Renly war zu jung, um einen Sohn in diesem Alter zu haben, Stannis zu kalt und zu stolz auf seine Ehrbarkeit. Gendry musste Roberts Sohn sein.
Doch da er das alles wusste, was sagte es ihm? Der König hatte noch andere Kinder von niederer Geburt, überall in den Sieben Königslanden. Einen seiner Bastarde hatte er öffentlich anerkannt, einen Jungen in Brans Alter, dessen Mutter von edler Geburt war. Der Knabe war bei Lord Renlys
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