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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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schneidet tiefer als Schwerter. Arya wollte sich nicht fürchten. Es schien, als hätte sie schon einen weiten Weg hinter sich, als die Mauer plötzlich endete und kalte Luft an ihre Wange wehte. Loses Haar strich leicht über ihre Haut.
    Von irgendwo weit unten hörte sie Geräusche. Das Scharren von Stiefeln, ferne Stimmen. Ein Hauch von flackerndem Licht strich über die Mauer, und sie sah, dass sie oben an einem großen, schwarzen Brunnen stand, einem Schacht, der zwanzig Fuß tief in die Erde ging. Mächtige Steine waren als Stufen in die runden Mauern gesetzt und führten wendelnd in die Tiefe, finster wie die Stufen zur Hölle, von der die Alte Nan ihnen erzählt hatte. Und etwas kam aus der Dunkelheit herauf, aus dem Bauch der Erde …
    Arya lugte über den Rand und spürte den kalten, schwarzen Atem auf ihrem Gesicht. Weit unten sah sie das Licht einer einzelnen Fackel, klein wie die Flamme einer Kerze. Zwei Männer konnte sie erkennen. Ihre Schatten krümmten sich an den Seiten des Brunnens, ragten auf wie Riesen. Sie konnte ihre Stimmen hören, die den Schacht herauf hallten.
    »… einen Bastard gefunden«, sagte einer. »Der Rest wird bald kommen. Ein Tag, zwei Tage, zwei Wochen …«
    »Und wenn er die Wahrheit erfährt, was wird er tun?«, fragte eine zweite Stimme mit dem schwungvollen Akzent der Freien Städte.
    »Das wissen nur die Götter«, sagte die erste Stimme. Arya sah einen Fetzen von grauem Qualm, der von der Fackel in die Höhe trieb und sich dabei wie eine Schlange wand. »Die Narren haben versucht, seinen Sohn zu töten, und was das Schlimmste ist: Sie haben einen Mummenschanz daraus gemacht. Er ist kein Mann, den man abschieben kann. Ich
warne Euch, der Wolf und der Löwe werden einander bald an die Kehle gehen, ob wir es nun wollen oder nicht.«
    »Zu früh, zu früh«, klagte die Stimme mit dem Akzent. »Was nützt uns ein Krieg jetzt? Wir sind noch nicht bereit. Wartet noch.«
    »Ebenso könnte man die Zeit anhalten. Haltet Ihr mich für einen Zauberer?«
    Der andere kicherte. »Mindestens.« Flammen leckten an der kalten Luft. Die langen Schatten reichten fast bis zu ihr hinauf. Einen Augenblick später tauchte der Mann mit der Fackel in ihrem Blickfeld auf, sein Begleiter neben ihm. Arya kroch vom Brunnen zurück, ließ sich auf den Bauch fallen und presste sich an die Wand. Sie hielt die Luft an, als die Männer zum oberen Ende der Treppe kamen.
    »Was soll ich für Euch tun?«, fragte der Fackelträger, ein beleibter Mann mit kurzem, ledernem Umhang. Selbst in schweren Stiefeln schien er geräuschlos über den Boden zu schweben. Ein rundes, vernarbtes Gesicht und dunkle Bartstoppeln waren unter seiner Stahlhaube auszumachen, und er trug ein Kettenhemd über gehärtetem Leder und einen Dolch und ein Kurzschwert am Gürtel. Es schien Arya, als hätte er etwas seltsam Vertrautes an sich.
    »Wenn eine Hand sterben kann, warum nicht auch eine zweite?«, erwiderte der Mann mit dem Akzent und dem gelben Gabelbart. »Ihr habt den Tanz früher schon getanzt, mein Freund.« Ihn hatte Arya noch nie zuvor gesehen, dessen war sie sicher. Grässlich fett, und dennoch schien er leichten Fußes zu wandeln, trug sein ganzes Gewicht auf den Fußballen, wie es ein Wassertänzer getan hätte. Seine Ringe glitzerten im Fackelschein, rotgolden und mattsilbern, mit Rubinen besetzt, Saphiren, geschlitzten, gelben Tigeraugen. An jedem Finger steckte ein Ring, an manchen zwei.
    »Früher ist nicht jetzt, und diese Hand ist nicht die andere«, sagte der vernarbte Mann, als sie den Korridor betraten. Starr wie Stein, sagte Arya sich, leise wie ein Schatten. Geblendet vom Licht ihrer eigenen Fackel sahen sie Arya nicht, wie
sie dort flach am Boden lag, kaum ein paar Schritte neben ihnen.
    »Mag sein«, erwiderte der Gabelbart und hielt inne, um nach dem langen Anstieg zu Atem zu kommen. »Nichtsdestoweniger brauchen wir Zeit. Die Prinzessin erwartet ein Kind. Der Khal wird sich nicht rühren, bis sein Sohn geboren ist. Ihr wisst, wie sie sind, diese Wilden.«
    Der Mann mit der Fackel schob etwas. Arya hörte ein tiefes Rumpeln. Ein mächtiger Felsbrocken, rot im Fackelschein, glitt mit gewaltigem Rumpeln von der Decke herab, was sie fast aufschreien ließ. Wo der Eingang zum Brunnen gewesen war, fand sich jetzt nur noch Stein, fest und undurchdringlich.
    »Wenn er sich nicht bald rührt, könnte es zu spät sein«, sagte der beleibte Mann mit der Stahlhaube. »Mittlerweile hat dieses Spiel nicht mehr nur zwei

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