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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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schneeverhüllte Wälder, jenseits des erstarrten Ufers und der großen blauweißen Flüsse aus Eis und der toten Steppen, auf denen nichts wuchs oder lebte. Gen Norden und Norden und Norden blickte er zum Vorhang aus Licht am Ende der Welt und dann hinter diesen Vorhang. Tief ins Herz des Winters blickte er, und dann schrie er laut auf vor Angst, und die Hitze seiner Tränen brannte auf seinen Wangen.

    Jetzt weißt du es, flüsterte die Krähe, als sie auf seiner Schulter saß. Jetzt weißt du, warum du leben musst.
    »Warum?«, fragte Bran, der nicht verstand, nur fiel und fiel.
    Weil der Winter naht.
    Bran sah die Krähe auf seiner Schulter an, und die Krähe erwiderte den Blick. Sie hatte drei Augen, und das dritte Auge war voll grausamer Erkenntnis. Bran schaute hinab. Unter ihm war nichts als Schnee und Kälte und Tod, eine erfrorene Einöde, in der gezackte, blauweiße Zapfen aus Eis darauf warteten, ihn zu empfangen. Wie Speere flogen sie ihm entgegen. Er sah die Knochen tausend anderer Träumer darauf aufgespießt. Er hatte entsetzliche Angst.
    »Kann ein Mensch tapfer sein, auch wenn er sich fürchtet? «, hörte er seine eigene Stimme fragen, leise und in weiter Ferne.
    Und die Stimme seines Vaters antwortete ihm. »Das ist der einzige Moment, in dem er tapfer sein kann.«
    Jetzt, Bran, drängte die Krähe. Du hast die Wahl. Flieg oder stirb.
    Kreischend griff der Tod nach ihm.
    Bran breitete die Arme aus und flog.
    Unsichtbare Flügel sogen den Wind in sich auf, füllten sich und zogen ihn aufwärts. Die schrecklichen Eisnadeln unter ihm rückten in die Ferne. Über ihm tat sich der Himmel auf. Bran schwang sich empor. Es war besser als Klettern. Es war besser als alles. Die Welt unter ihm wurde klein.
    »Ich fliege!«, rief er freudig aus.
    Ist mir schon aufgefallen, sagte die dreiäugige Krähe. Sie erhob sich in die Lüfte, flatterte vor seinem Gesicht, bremste ihn, blendete ihn. Er taumelte, als ihre Schwingen ihm an die Wangen schlugen. Ihr Schnabel hackte wütend auf ihn ein, und Bran spürte plötzlich einen blendenden Schmerz mitten auf der Stirn, zwischen den Augen.
    »Was tust du?«, schrie er.
    Die Krähe klappte ihren Schnabel auf und krächzte ihn
an, ein schrilles, schmerzerfülltes Kreischen, und ein Schauer durchfuhr die grauen Nebel, die ihn umwirbelten und rissen wie ein Schleier, und er sah, dass die Krähe eigentlich eine Frau war, eine Dienerin mit langem, schwarzem Haar, und er kannte sie von irgendwo, aus Winterfell, ja, das war es, jetzt erkannte er sie, und dann wurde ihm klar, dass er in Winterfell war, in einem Bett, hoch oben in einem kühlen Turmzimmer, und die schwarzhaarige Frau ließ einen Wassertrog zu Boden fallen, wo er zersprang, und rannte die Treppe hinunter und schrie: »Er ist wach, er ist wach, er ist wach.«
    Bran berührte seine Stirn zwischen den Augen. Die Stelle, auf welche die Krähe eingehackt hatte, brannte noch immer, doch war dort nichts, kein Blut, keine Wunde. Er fühlte sich schwach und benebelt. Er versuchte aufzustehen, doch nichts geschah.
    Und dann gab es Bewegung neben seinem Bett, und etwas landete sanft auf seinen Beinen. Er spürte nichts. Gelbe Augen blickten in die seinen, strahlend wie die Sonne. Das Fenster stand offen, und es war kalt im Zimmer, doch die Wärme, die der Wolf ausstrahlte, umfing ihn wie ein heißes Bad. Sein Welpe, Bran erkannte ihn … oder doch nicht? Er war so groß geworden. Er streckte die Hand aus, um ihn zu streicheln, und sie zitterte wie Espenlaub.
    Als sein Bruder Robb ins Zimmer platzte, atemlos von seinem Sturm die Stufen des Turmes hinauf, leckte der Schattenwolf Bran gerade das Gesicht ab. Ruhig sah Bran auf: »Er heißt Sommer«, sagte er.

CATELYN
    »In etwa einer Stunde legen wir in Königsmund an.«
    Catelyn wandte sich von der Reling ab und zwang ein Lächeln hervor. »Eure Ruderer haben uns gut gedient, Kapitän. Jeder von ihnen soll einen Silberhirschen bekommen als Ausdruck meiner Dankbarkeit.«
    Kapitän Moreo Tumitis deutete eine Verbeugung an. »Ihr seid zu großzügig, Lady Stark. Die Ehre, eine große Dame wie Euch zu befördern, ist aller Lohn, den sie brauchen.«
    »Aber nehmen würden sie das Silber dennoch.«
    Moreo lächelte. »Ganz wie es Euch beliebt.« Er sprach die Gemeine Zunge fließend, mit dem kaum erkennbaren Akzent eines Tyroshi. Seit dreißig Jahren durchpflügte er nun die Meerenge, so viel hatte er ihr erzählt, als Ruderer, als Steuermann und schließlich als Kapitän seiner

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