Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
weiten silbernen Bogen nach unten. Als die Kruste des Kuchens aufbrach, quollen die Tauben in einem weißen Federschwall hervor, verteilten sich in alle Richtungen und flatterten zu Fenstern und Balken empor. Ein Aufschrei des Entzückens erhob sich von den Bänken, und die Fiedler und Dudelsackspieler auf der Galerie spielten eine muntere Weise. Joff nahm seine Braut in die Arme und wirbelte sie fröhlich im Kreis herum.
Ein Diener stellte einen Teller mit heißer Taubenpastete vor Tyrion ab und schlug einen Löffel Zitronensahne darauf. Diese Tauben waren gut gekocht, und dennoch fand Tyrion sie nicht appetitlicher als die weißen, die im Saal umherflatterten. Sansa aß ebenfalls nicht. »Ihr seid leichenblass, Mylady«, stellte Tyrion fest. »Ihr braucht frische Luft und ich ein neues Wams.« Er stand auf und bot ihr die Hand an. »Kommt.«
Ehe sie sich zurückziehen konnten, war Joffrey zurück. »Onkel, wohin wollt Ihr? Habt Ihr vergessen, dass Ihr mein Mundschenk seid?«
»Ich muss meine Kleidung wechseln, Euer Gnaden. Mit Eurer Erlaubnis?«
»Nein. Mir gefällt es, wie Ihr ausseht. Bringt mir meinen Wein.«
Der Kelch des Königs stand auf dem Tisch, wo er ihn hatte stehen lassen. Tyrion musste zurück auf seinen Stuhl klettern, um ihn zu erreichen. Joff riss ihm das Gefäß aus den Händen und nahm einen langen, tiefen Zug. Sein Kehlkopf arbeitete, während der Wein ihm violett über das Kinn lief. »Mylord«,
sagte Margaery, »wir sollten auf unsere Plätze zurückkehren. Lord Buckler möchte einen Trinkspruch auf uns ausbringen.«
»Mein Onkel hat seine Taubenpastete noch nicht gegessen.« Joff hielt den Kelch mit der einen Hand und schlug mit der anderen mitten in Tyrions Pastete. »Es bringt Unglück, seine Pastete nicht zu essen«, schimpfte er, während er sich heißes gewürztes Taubenfleisch in den Mund stopfte. »Seht Ihr, wie gut sie schmeckt.« Er spuckte Flocken der Kruste aus, hustete und stopfte noch eine Hand voll hinterher. »Ein wenig trocken allerdings. Muss man runterspülen.« Joff nahm einen Schluck Wein und hustete erneut, diesmal heftiger. »Ich möchte sehen, kcchh, sehen, wie Ihr auf diesem, kcchh, kcchh, Schwein reitet, Onkel. Ich möchte …« Seine Worte gingen in einem Hustenanfall unter.
Margaery sah ihn besorgt an. »Euer Gnaden?«
»Es ist, kcchh, die Pastete, nich – kcchh, Pastete.« Joff trank abermals oder versuchte es wenigstens, doch der ganze Wein kam wieder in einem Schwall heraus, als sich der König im nächsten Hustenanfall krümmte. Sein Gesicht verfärbte sich rot. »Ich, kcchh, ich krieg keine, kcchh, kcchh, kcchh, kcchh … « Der Kelch glitt ihm aus der Hand, und tiefroter Wein rann über das Podest.
»Er erstickt!«, rief Königin Margaery.
Ihre Großmutter eilte an ihre Seite. »Helft dem armen Jungen! «, schrie die Dornenkönigin mit einer Stimme, die man in dem schmächtigen Leib nicht vermutet hätte. »Ihr Dummköpfe! Wollt ihr denn nur herumstehen und zuschauen? Helft eurem König!«
Ser Garlan stieß Tyrion zur Seite und klopfte Joffrey auf den Rücken. Ser Osmund Schwarzkessel riss dem König den Kragen auf. Ein hoher, dünner furchtsamer Laut löste sich aus der Kehle des Jungen, der Laut eines Mannes, der einen Fluss durch einen Schilfhalm aufsaugen will, dann verstummte er, und das war noch schrecklicher. »Stellt ihn auf den Kopf!«, brüllte Maes Tyrell, an alle und doch niemanden im Besonderen
gerichtet. »Stellt ihn auf den Kopf und schüttelt ihn an den Füßen!« Ein andere Stimme rief: »Wasser, flößt ihm Wasser ein!« Der Hohe Septon begann, laut zu beten. Großmaester Pycelle schrie, jemand solle ihn in seine Gemächer bringen, damit er seine Tränke holen könne. Joffreys Finger gruben sich in seine Kehle, die Fingernägel hinterließen blutige Rillen im Fleisch. Unter der Haut waren die Muskeln hart wie Stein. Prinz Tommen schrie und weinte.
Er stirbt, ging es Tyrion auf. Eigenartigerweise fühlte er sich ganz ruhig, obwohl um ihn herum ein Höllenlärm herrschte. Abermals klopften sie Joffrey auf den Rücken, doch sein Gesicht wurde immer dunkler. Hunde bellten, Kinder jammerten, Männer riefen sich sinnlose Ratschläge zu. Die Hälfte der Hochzeitsgäste war auf den Beinen, manche drängten einander zur Seite, um das Geschehnis besser verfolgen zu können, andere eilten zu den Türen und wollten den Saal verlassen.
Ser Meryn drückte den Mund des Königs auf und rammte ihm einen Löffel in den Rachen. Dabei begegnete
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