Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
einzige Geräusch war das Rauschen des Flusses.
Lange vor Mittag begann Sandor Clegane zu schwanken. Noch hatten sie Stunden Tageslicht vor sich, als er anhielt. »Ich muss mich ausruhen«, war alles, was er sagte. Diesmal stürzte er beim Absteigen. Anstatt sich wieder zu erheben, kroch er kraftlos unter einen Baum und lehnte sich an den Stamm. »Verdammte Hölle!«, fluchte er. »Verdammte Hölle!« Als er bemerkte, wie Arya ihn anstarrte, sagte er: »Für einen Becher Wein würde ich dir bei lebendigem Leibe die Haut abziehen, Mädchen.«
Doch sie konnte ihm nur Wasser bringen. Er trank ein wenig davon, beschwerte sich über den schlammigen Geschmack und fiel in einen unruhigen fiebrigen Schlaf. Sie legte ihm die Hand auf die Stirn, und seine Haut glühte. Arya schnüffelte an den Verbänden, so wie Maester Luwin es manchmal gemacht hatte, wenn er einen Schnitt oder einen Kratzer behandelt hatte. Seine Kopfwunde hatte am schlimmsten geblutet, aber es war der Schnitt am Oberschenkel, der irgendwie eigenartig roch.
Sie fragte sich, wie weit dieses Salzpfann entfernt war und ob sie die Stadt allein finden würde. Ich müsste ihn nicht einmal töten. Wenn ich einfach davonreite und ihn zurücklasse, stirbt er von allein. Er wird am Fieber sterben und bis ans Ende aller Tage unter diesem Baum liegen. Aber vielleicht wäre es besser, wenn sie ihn selbst tötete. Den Knappen in dem Gasthaus hatte sie auch umgebracht, und der hatte nichts weiter getan, als sie am Arm zu packen. Der Bluthund hatte Mycah getötet. Mycah und andere, ich wette, er hat hundert Mycahs umgebracht . Vermutlich
hätte er sie auch getötet, wenn es ihm nicht um das Lösegeld gegangen wäre.
Nadel glänzte, als sie es aus der Scheide zog. Wenigstens hatte Polliver die Klinge gepflegt und scharf gehalten. Ohne darüber nachzudenken, drehte sie ihren Körper seitlich in die Haltung einer Wassertänzerin. Totes Laub knisterte unter ihren Füßen. Schnell wie eine Schlange, dachte sie, sanft wie Sommerseide.
Er schlug die Augen auf. »Weißt du noch, wo das Herz sitzt?«, flüsterte er heiser.
Still wie Stein stand sie da. »Ich … ich wollte nur …«
»Lüg mich nicht an!«, knurrte er. »Ich hasse Lügner. Und feige Schwindler hasse ich noch mehr. Na los, mach schon.« Als Arya sich nicht bewegte, fuhr er fort: »Ich habe deinen Schlachterjungen getötet. Habe ihn fast in zwei Stücke gehauen, und hinterher habe ich darüber gelacht.« Er gab einen seltsamen Laut von sich, und sie brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass er schluchzte. »Und der kleine Vogel, deine hübsche Schwester, ich bin in meinem weißen Mantel dagestanden und habe zugelassen, dass sie sie verprügeln. Ich habe mir das verdammte Lied erzwungen, sie hat es nicht freiwillig für mich gesungen. Sie wollte ich auch nehmen. Hätte ich es doch nur getan. Ich hätte sie blutig vögeln und ihr das Herz herausreißen sollen, anstatt sie für diesen Zwerg zurückzulassen.« Er verzog das Gesicht, als ihn ein heftiger Krampf schüttelte. »Soll ich dich etwa noch anflehen, Biest? Mach schon! Das Geschenk der Gnade … Räche deinen kleinen Michael …«
»Mycah!« Arya trat von ihm zurück. »Ihr verdient das Geschenk der Gnade nicht.«
Der Bluthund sah zu, wie sie Memme sattelte, und seine Augen glänzten vom Fieber. Nicht ein einziges Mal versuchte er, aufzustehen und sie zurückzuhalten. Doch als sie aufstieg, sagte er: »Ein richtiger Wolf würde ein verwundetes Tier zur Strecke bringen.«
Vielleicht finden Euch richtige Wölfe, dachte Arya. Vielleicht
wittern sie Euch, wenn die Sonne untergeht. Dann würde er erfahren, was Wölfe mit Hunden machten. »Ihr hättet mich nicht mit der Axt schlagen sollen«, sagte sie. »Ihr hättet meine Mutter retten sollen.« Sie wendete das Pferd, ritt von ihm fort und schaute nicht ein einziges Mal zurück.
An einem schönen Morgen sechs Tage später erreichte sie eine Stelle, wo der Trident breiter wurde und die Luft mehr nach Salz als nach Bäumen roch. Sie hielt sich dicht am Wasser, ritt an Feldern und Gehöften vorbei, und kurz nach Mittag tauchte eine Stadt vor ihr auf. Salzpfann , hoffte sie. Eine kleine Burg überragte die Stadt, kaum mehr als ein Bergfried eigentlich, ein einzelner großer, eckiger Turm mit einem Hof und einer Umfassungsmauer. Die meisten Geschäfte und Gasthäuser und Bierschenken in der Hafengegend waren geplündert worden oder ausgebrannt, einige schienen jedoch bewohnt zu sein. Aber der Hafen war
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