Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
in Schweigen.« Varys zupfte vorsichtig am Ärmel des Zwergs und zog ihn auf die Treppe. »Mylord, wir müssen fort. Euer Weg führt abwärts.«
Wenigstens das ist keine Lüge. Tyrion watschelte hinter dem
Eunuchen her, seine Absätze scharrten über den rauen Stein, während sie hinabstiegen. Im Treppenhaus herrschte Kälte, eine feuchte Kälte, die bis in die Knochen zog und ihn sofort zittern ließ. »Welcher Teil des Kerkers ist das?«, wollte er wissen.
»Maegor der Grausame ließ vier Stockwerke von Kerkern für seine Burg bauen«, erklärte Varys. »Im obersten Stockwerk befinden sich die großen Zellen, wo die gemeinen Verbrecher zusammen eingesperrt werden. Sie haben kleine Fenster hoch oben in den Wänden. Im zweiten Stockwerk sind die Zellen kleiner, hier werden die hochgeborenen Gefangenen verwahrt. Dort gibt es keine Fenster, jedoch Fackeln in den Gängen, deren Licht durch die Gitterstäbe fällt. Im dritten Stockwerk sind die Zellen noch kleiner, und die Türen bestehen aus Holz. Man nennt sie die Schwarzen Zellen. Dort wurdet Ihr eingesperrt und vor Euch Eddard Stark. Aber darunter befindet sich noch ein Stockwerk. Wird ein Mann in das vierte Stockwerk hinuntergebracht, sieht er die Sonne niemals wieder, hört niemals wieder eine menschliche Stimme und wird niemals wieder ohne die schrecklichsten Qualen atmen können. Die Zellen im vierten Stockwerk ließ Maegor für die Folter bauen.« Sie hatten das Ende der Treppe erreicht. Eine dunkle Tür öffnete sich vor ihnen. »Dies ist das vierte Stockwerk. Gebt mir Eure Hand, Mylord. Es ist sicherer, im Dunkeln zu gehen. Hier gibt es Dinge, die Ihr gewiss nicht sehen möchtet.«
Tyrion zögerte einen Augenblick lang. Varys hatte ihn schon einmal verraten. Wer wusste schon, welches Spiel der Eunuch nun mit ihm trieb? Und welcher Ort eignete sich besser, einen Mann zu ermorden, als die Dunkelheit eines Kerkers, von dessen Existenz niemand etwas ahnte? Seine Leiche würde vielleicht niemals gefunden werden.
Andererseits, was blieb ihm anderes übrig? Die Treppe wieder hinaufzusteigen und zum Haupttor hinauszuschreiten? Nein, das würde ihm nicht weiterhelfen.
Jaime würde sich nicht fürchten, dachte er, ehe ihm einfiel,
was Jaime ihm angetan hatte. Er nahm den Eunuchen an der Hand, ließ sich durch die Finsternis führen und folgte dem leisen Scharren des Schuhleders auf dem Steinboden. Varys ging schnell und flüsterte ihm von Zeit zu Zeit eine Warnung zu: »Vorsicht, hier sind drei Stufen«, oder: »Der Gang ist ein wenig abschüssig, Mylord.« Ich bin hier als Hand des Königs eingetroffen, bin an der Spitze meiner geschworenen Männer durch die Tore geritten, grübelte Tyrion, und jetzt verlasse ich die Stadt wie eine Ratte durch die Dunkelheit und halte dabei die Hand einer Spinne.
Vor ihnen tauchte ein Licht auf, zu schwach, um Tageslicht zu sein, doch es wurde heller, während sie darauf zueilten. Nach einer Weile sah er, dass es sich um einen bogenförmigen Durchgang handelte, der von einem weiteren Eisentor versperrt wurde. Varys zog einen Schlüssel hervor. Sie betraten einen kleinen runden Raum mit fünf weiteren Türen, die jeweils mit Eisen verriegelt waren. Auch in der Decke befand sich eine Öffnung, und in die Wand war eine Reihe von Sprossen eingelassen, die nach oben führten. Ein verziertes Kohlenbecken in Gestalt eines Drachenkopfes stand in einer Ecke. Die Kohlen im gähnenden Schlund der Bestie waren herabgebrannt, doch sie glühten noch immer in einem düsteren, orangefarbenen Schein. Dennoch bot das Licht nach der Schwärze im Tunnel eine willkommene Abwechslung.
Ansonsten war der Raum leer, nur in den Boden war ein Mosaik aus roten und schwarzen Kacheln eingelassen, das einen dreiköpfigen Drachen darstellte. An irgendetwas erinnerte es Tyrion. Dann fiel es ihm ein. Dies ist die Stelle, von der Shae mir erzählt hat, als Varys sie zum ersten Mal in mein Bett geführt hat. »Wir sind unter dem Turm der Hand.«
»Ja.« Erstarrte Angeln quietschten protestierend, als Varys eine der Türen öffnete, die lange verschlossen gewesen waren. Rostflocken rieselten zu Boden. »Hier gelangen wir hinaus zum Fluss.«
Tyrion trat langsam an die Leiter und strich mit der Hand
über die niedrigste Sprosse. »Und hier komme ich in mein Schlafzimmer.«
»Das Schlafzimmer Eures Hohen Vaters.«
Er spähte in den Schacht hinauf. »Wie weit muss ich klettern ?«
»Mylord, für solche Torheiten seid Ihr zu schwach, und außerdem bleibt uns keine
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