Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
worden und ein Steinbrunnen, der keinen Grund zu haben schien. Sie hatten eine Kammer mit Schädeln und gelben Knochen entdeckt und vier Säcke mit angelaufenen Silbermünzen aus der Herrschaftszeit des ersten
Königs Viserys. Außerdem waren Tausende von Ratten zum Vorschein gekommen … allerdings waren weder Tyrion noch Varys darunter gewesen, und Jaime hatte schließlich darauf bestanden, die Suche zu beenden. Ein Junge war in einem schmalen Durchlass stecken geblieben und musste schreiend an den Füßen herausgezogen werden. Ein anderer war in einen Schacht gestürzt und hatte sich die Beine gebrochen. Und zwei Wachen waren bei der Erkundung eines Seitentunnels spurlos verschwunden. Einige der anderen Wachmänner schworen, sie hätten leise Rufe durch den Stein gehört, doch als Jaimes Männer die Wand einrissen, stießen sie auf der anderen Seite nur auf Erde und Schutt. »Der Gnom ist klein und schlau. Er steckt vielleicht noch in den Mauern. Falls dem so ist, wird das Feuer ihn ausräuchern.«
»Selbst wenn sich Tyrion in der Burg versteckt halten sollte, wird er nicht mehr im Turm der Hand sein. Wir haben von dem Gebäude nur noch die leere Hülle stehen lassen.«
»Wenn wir das nur auch mit dem Rest dieser entsetzlichen Burg tun könnten«, sagte Cersei. »Nach dem Krieg beabsichtige ich, einen neuen Palast am anderen Ufer zu errichten.« Sie hatte in der vorletzten Nacht von einer prächtigen weißen Burg inmitten von Wäldern und Gärten geträumt, weit entfernt vom Gestank und Lärm der Stadt. »Königsmund ist eine Jauchegrube. Für einen halben Groschen würde ich den Hof nach Lennishort verlegen und das Reich von Casterlystein aus regieren.«
»Damit würdest du die Torheit, den Turm der Hand niederzubrennen, noch übertreffen. Solange Tommen auf dem Eisernen Thron sitzt, betrachtet ihn das Reich als den wahren König. Versteck ihn unter dem Stein, und er steht wie ein weiterer Thronprätendent da, der sich nicht von Stannis unterscheidet.«
»Das weiß ich«, entgegnete die Königin scharf. »Ich habe lediglich gesagt, ich würde den Hof gern nach Lennishort verlegen, nicht, dass ich es tun werde. Warst du schon immer so
schwer von Begriff, oder bist du erst verdummt, als du deine Hand eingebüßt hast?«
Jaime achtete nicht auf ihre Worte. »Falls die Flammen sich über den Turm hinweg ausbreiten, brennst du vielleicht doch die ganze Burg nieder, ob du das nun vorhast oder nicht. Seefeuer ist tückisch.«
»Lord Hallyn hat mir versichert, dass seine Pyromantiker das Feuer unter Kontrolle halten werden.« Die Gilde der Alchimisten hatte vor zwei Wochen begonnen, frisches Seefeuer zu brauen. »Soll doch ganz Königsmund die Flammen sehen. Es wird unseren Feinden eine Lehre sein.«
»Jetzt hörst du dich an wie Aerys.«
Ihre Nasenflügel bebten. »Hütet Eure Zunge, Ser.«
»Ich liebe dich auch, süße Schwester.«
Wie habe ich jemals Liebe für dieses erbärmliche Wesen empfinden können?, fragte sie sich, nachdem er gegangen war. Er war dein Zwilling, dein Schatten, deine andere Hälfte, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Früher vielleicht, dachte sie. Jetzt nicht mehr. Jetzt ist er mir ein Fremder geworden.
Im Vergleich zu dem Prunk bei Joffreys Trauung fand die Hochzeit von König Tommen in bescheidenem Rahmen und im kleinen Kreise statt. Niemandem war nach einer weiteren überschwänglichen Zeremonie zumute, am wenigsten der Königin, und niemand wollte dafür bezahlen, am wenigsten die Tyrells. Also nahm der junge König Margaery Tyrell in der königlichen Septe des Roten Bergfrieds zur Gemahlin, und anstelle der Tausenden, die zugeschaut hatten, wie sein Bruder mit derselben Braut vermählt wurde, fanden sich nun weniger als hundert Gäste ein.
Die Braut war hold und fröhlich und wunderschön, der Bräutigam pummelig, mit rundem Kindergesicht. Er sagte sein Gelübde mit hoher, kindlicher Stimme auf und gelobte Maes Tyrells zweimal verwitweter Tochter Liebe und Treue. Margaery trug dasselbe Kleid wie bei der Trauung mit Joffrey, einen Traum aus hauchdünner elfenbeinfarbener Seide, myrischer
Spitze und Staubperlen. Cersei kleidete sich noch immer schwarz, als Zeichen ihrer Trauer um ihren ermordeten Erstgeborenen. Seine Witwe mochte fröhlich lachen und trinken und tanzen und die Erinnerungen an Joff verdrängen, die Mutter hingegen würde ihren Sohn nicht so leicht vergessen.
Es ist nicht recht, dachte sie. Viel zu früh. Ein Jahr oder zwei hätte man warten müssen.
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