Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
gehe ich los und bringe auch noch deinen Vater um. Jaime hörte den Gnom im Dunkeln lachen. Er drehte den Kopf und suchte, doch es war nur sein eigenes Gelächter, das zurückhallte. Er schloss die Augen und riss sie sofort wieder auf. Ich darf nicht einschlafen. Wenn er schlief, könnte er träumen. Oh, wie Tyrion kicherte … Eine verlogene Hure … hat Lancel und Osmund Schwarzkessel gevögelt …
Gegen Mitternacht knarrten die Angeln an den Türen des Vaters, und mehrere Hundert Septone strömten zur Andacht herein. Manche trugen die Ornate aus Silbertuch und die Diademe aus Kristall der Ergebensten; ihren bescheideneren Brüdern hingen die Kristalle an Riemen um den Hals, und sie hatten ihre weißen Roben mit Gürteln aus sieben Strängen geschnürt, von denen jeder eine andere Farbe aufwies. Durch die Türen der Mutter marschierten zu siebt nebeneinander weiße Septas aus ihrem Kloster herein und sangen leise, während die Schweigenden Schwestern in einer Reihe die Treppe des Fremden hinunterstiegen. Die Mägde des Todes waren in weiches Grau gekleidet, Kapuzen und Tücher verhüllten ihre Gesichter, so dass man nur die Augen sehen konnte. Dazu gesellte sich ein Heer von Brüdern in braunen, graubraunen oder nussbraunen Roben, manche sogar in Kutten aus ungefärbtem grobem Stoff, die mit langen Hanfseilen gegürtet waren. Einige trugen den eisernen Hammer des Schmieds um den Hals, andere Bettelschalen.
Keiner der Frommen beachtete Jaime. Sie zogen im Kreis
durch die Septe und beteten bei jedem der sieben Altäre, um die sieben Aspekte der Gottheit zu ehren. Jedem Gott brachten sie ein Opfer dar, jedem Gott sangen sie eine Hymne. Süß und feierlich klangen ihre Stimmen. Jaime schloss die Augen und hörte zu, schlug sie wieder auf, als er zu schwanken begann. Ich bin müder, als ich dachte.
Jahre waren seit seiner letzten Nachtwache vergangen. Damals war ich jünger, erst fünfzehn. Er hatte keine Rüstung getragen, nur ein einfaches weißes Gewand. Die Septe, in der er die Nacht verbracht hatte, war kaum ein Drittel so groß gewesen wie eines der Seitenschiffe der Großen Septe. Jaime hatte dem Krieger sein Schwert auf die Knie und seine Rüstung zu Füßen gelegt und war auf den rauen Steinboden vor dem Altar niedergekniet. Als der Morgen dämmerte, waren seine Knie wund und blutig. »Alle Ritter müssen bluten, Jaime«, hatte Ser Arthur Dayn gesagt, als er das sah. »Blut ist das Siegel unserer Ergebenheit.« Er tippte ihm mit Dämmerung behutsam auf die Schulter; die helle Klinge war so scharf, dass sogar diese leichte Berührung durch Jaimes Gewand schnitt. Wieder hatte er geblutet. Gespürt hatte er es nicht. Ein Knabe hatte sich hingekniet; ein Ritter hatte sich erhoben. Der Junge Löwe, nicht der Königsmörder.
Doch das hatte sich vor langer Zeit zugetragen, und der Junge war tot.
Er hätte nicht sagen können, wann die Andacht endete. Vielleicht hatte er im Stehen geschlafen. Nachdem die Frommen die Große Septe verlassen hatten, kehrte abermals Stille ein. Die Kerzen bildeten in der Dunkelheit eine Wand aus brennenden Sternen, in der Luft hing der Geruch des Todes. Jaime veränderte den Griff ein wenig, mit dem er das goldene Großschwert hielt. Vielleicht hätte er sich doch von Ser Loras ablösen lassen sollen. Cersei hätte es mir übelgenommen. Der Ritter der Blumen war noch ein halber Knabe, arrogant und eitel, dennoch steckte Größe in ihm, und er würde Taten vollbringen, die des Weißen Buches würdig waren.
Das Weiße Buch würde nach der Totenwache auf Jaime warten, seine Seite aufgeschlagen wie zum stummen Vorwurf. Eher haue ich das verdammte Buch in Stücke, bevor ich Lügen hineinschreibe. Doch wenn er nicht log, was konnte er außer der Wahrheit niederschreiben?
Eine Frau stand vor ihm.
Es regnet wieder, dachte er, als ihm auffiel, wie nass sie war. Das Wasser tropfte in Strömen von ihrem Mantel und bildete eine Lache um ihre Füße. Wie ist sie hergekommen? Ich habe sie nicht hereinkommen hören. Gekleidet war sie wie ein Schankmädchen in einen einfachen, schlecht gefärbten Mantel, in verwaschenen Brauntönen und am Saum ausgefranst. Eine Kapuze verbarg ihr Gesicht, doch er sah, wie die Flammen der Kerzen in den grünen Teichen ihrer Augen tanzten, und als sie sich bewegte, erkannte er sie.
»Cersei.« Er sprach leise wie ein Mann, der aus einem Traum erwacht und sich noch immer fragt, wo er ist. »Welche Stunde haben wir?«
»Die Stunde des Wolfes.« Seine Schwester
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