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Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)

Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)

Titel: Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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als Liesel die Haustür aufschloss, aber das mochte von der Wärme kommen, die ihr so unvermutet entgegenschlug. Ein Lachen kam aus dem Zimmer ihrer Mutter, gefolgt von einem Husten. Als Liesel neugierig den Raum betrat, staunte sie nicht schlecht. Ein kleiner Pulverofen verströmte bläuliches Licht und eine trockene, wundervolle Wärme. Und neben dem Bett auf einem Stuhl saß Lova Sigurdson, eben ihre Arzttasche aufhebend.
    »Liesel!«, murmelte ihre Mutter, deren Blässe etwas gewichen war. »Sieh nur, was die Götter uns geschenkt haben.« Das Lächeln traf Liesel mitten in die Seele. Ihre blonden Locken flogen, als sie ungestüm die Ärztin umarmte und dann ihre Mutter.
    ›Danke, Lord Humberstone‹, flüsterte sie in Gedanken. ›Ich werde Sie immer lieben, auf ewig.‹
     
    In der Nacht, ihre Mutter schlief seit Wochen endlich einmal ohne wild zu husten, hockte Liesel neben dem Pulverofen, genoss die magische Wärme und studierte die Papiere des Wikingers.
    Es waren die Positionen von Sternen, die längst nicht mehr am Himmel standen. Und die er zurückgerechnet hatte.
    Die Gabe, die Liesel ihr eigen nannte, war, dass sie die Zahlen spüren konnte. Das war in der Schule schon so gewesen. Irgendetwas an ihr vermochte sogar in kompliziertesten Berechnungen einen inneren Kern auszumachen, so als würden die Ziffern mit ihr sprechen, sie einladen zu verstehen. Sie konnte allein mit dem Gedächtnis alle Bestellungen merken, wusste am Ende der Nacht immer, wer was zu zahlen hatte, ohne eine einzige Notiz. Natürlich war Alfred diese Gabe aufgefallen und er hatte sie eines Tages beiseite genommen und sie gebeten, es zu unterlassen, denn solcherlei Fähigkeiten könnten so manchem nicht geheuer oder gar ein Dorn im Auge sein.
    So war Liesel nach und nach, ohne es zu merken, zu einem Teil der Nachtrose geworden.
    Dieser geheime Bund hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Zauberer des Imperiums im Auge zu behalten. Ein alter Mythos war der Schlüssel. Der von Rudak und Sariel. Die Nachtrose glaubte fest daran, dass diese beiden berühmtesten Zauberer einst wieder zueinanderfinden würden und dann, so vermuteten sie, würde das Ende der Welt bevorstehen. Nur jene, die dann auf der richtigen Seite standen, würden die kommende Dunkelheit überleben. Odin selbst würde sie prüfen.
    Diese Wahrheit kannten nur wenige Auserwählte. Liesel gehörte dazu, denn schon ihr Vater war eine Nachtrose gewesen, ohne dass sie je davon gewusst hatte. Dies und ihre außerordentliche Fähigkeit im Umgang mit Zahlen hatten Alfred dazu bemächtigt, sie einzuweihen.
    Und einer dieser Zauberer, welcher Rudak symbolisierte, hatte ihr das Leben gerettet - Lord Robert Humberstone. Der Mann, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte.
     
    Die Sonne war nur ein milchiger Fleck hinter den Wolken. Der Fürst von Graubergen stand auf dem Gänsemarkt an der Statue dieses nutzlosen Poeten, von dem er nie auch nur eine Zeile gelesen hatte. Die Garde hatte Aufstellung genommen, zwei Schneeläufer zielten mit ihren Maschinengewehren auf den verwaisten Platz.
    Die Raben lagen über Schillers Knie, die Hosen auf halb acht. Graubergen grinste. Sehr witzig. Einer jedoch war gegen den Sockel gelehnt und der war ganz eindeutig so gar nicht mehr lebendig. Die toten Augen vor Schrecken weit geöffnet. Spuren waren keine mehr zu sehen, es hatte zu sehr geschneit. Graubergen verzog den Mund. Er hatte schon genug mit den anderen Vorbereitungen zu tun, mit einem selbstverliebten, arroganten englischen Lord und nun schlich auch noch so ein Irrer durch die Nacht und erklärte den Rabenmännern des Kronprinzen den Krieg. Er drehte sich um, fasste die umliegenden Häuser ins Auge.
    Ein kleines Mädchen stand am Fenster im obersten Stock-werk des gegenüberliegenden Kontorhauses. Er setzte seine Nahlinsen auf. Rothaarig, sommersprossig, niedlich. Sie blickte stumm auf ihn herunter, den Mund verkniffen wie eine Rebellin. Er nahm seinen Revolver, hob ihn an und zielte spielerisch auf sie. Die blöde Göre blieb unbeeindruckt. Dann hauchte sie gegen die Scheibe, das Glas färbte sich grau. Mit einem Finger zeichnete sie etwas darauf. Doch das Bild blieb in seinen Linsen gefangen. Er presste die Kiefer zusammen.
    The Night Captain.
    Graubergen ließ die Waffe nicht sinken, er tat so, als würde er den Abzug drücken. Peng.
    »Ich werde dich finden!«, flüsterte der Fürst.
     

Ein zähes Miststück
     
    Ihr T-Shirt war nur noch ein nasser Lappen, in ihren Lungen

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